Demokratiebefund: Durch Corona Vertrauen in Regierung auf Höchstwert
Wegen der totalen Dominanz der Corona-Krise ist das Vertrauen in die Politik allgemein, aber insbesondere in die Problemlösungskompetenz der Bundesregierung merklich gestiegen. Zu diesem Schluss kommt der Demokratiebefund der "Initiative Mehrheitswahlrecht" für das Jahr 2020. Wie Johannes Klotz von OGM bei der Präsentation am Mittwoch erläuterte, gaben 56 Prozent der Befragten an, dass sie der Meinung sind, dass die Regierung heuer mehr Probleme erfolgreich zu lösen versuchte.
Dabei handle es sich um den höchsten Wert seit Erhebungsbeginn, so Klotz. Aber auch allgemein profitiert die Politik von der derzeitigen Gemengelage im Zeichen der Pandemie. So sagen insgesamt 52 Prozent, dass sie Vertrauen in die Politik haben, was laut Klotz erstmals ein mehrheitliches Vertrauen in die Politik allgemein bedeutet. Das Vertrauen in die handelnden Akteure ist zwar etwas geringer, im Vergleich zu den vergangenen Jahren aber auf hohem Niveau. Sechs Prozent der Befragten gaben nämlich an, sehr viel Vertrauen zu haben, 39 Prozent immerhin eher. Lediglich 15 Prozent haben gar kein Vertrauen.
Bei etwas weniger als einem Drittel der Befragten (27 Prozent) genieße die Bundesregierung in Sachen Problemlösung einen Vertrauensvorschuss im kommenden Jahr. Aber rund ein Drittel (34 Prozent) ist skeptisch, was das anbelangt.
Befragt wurden 800 Personen, die repräsentativ für die internetaffine Bevölkerung sind und in etwa 90 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprechen. Die maximale Schwankungsbreite liegt bei plus/minus dreieinhalb Prozent. Der Befragungszeitraum war vom 21. bis 23 September, also als gerade über den Beginn der zweiten Welle diskutiert wurde, so Klotz.
"Staatspolitische Nachlässigkeit und Oberflächlichkeit"
Eine "außergewöhnliche Zeit" mit Herausforderungen für Demokratie und Rechtsstaat durch die Pandemie diagnostizierte der Obmann der Initiative und frühere Zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser (ÖVP) bei der Vorstellung des jährlichen Demokratiebefundes. Kritik übte er am "flapsigen Umgang mit den Problemen des Rechtsstaates". Denn Rechtsstaatlichkeit hänge eng mit der Sprache zusammen, daher sei nicht egal, wie semantisch darüber gesprochen werde. In diesem Zusammenhang bemängelte er die Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach es sich bei der Kritik von Juristen an der rechtlichen Umsetzung der Corona-Maßnahmen um "juristische Spitzfindigkeiten" handle.
Die Bundesregierung habe eine "besondere Verantwortung" und müsse dafür Sorge tragen, alles auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen. Auch brauche es in der Koalition eine "solidarische Verantwortung", stattdessen habe er aber das Gefühl, dass da zwei Parteien sitzen, von denen jede versuche, ihren politischen Vorteil daraus zu ziehen. Neisser bemängelte, dass die Pandemie für die Wiener Landtagswahl instrumentalisiert werde. Dies sei eine "staatspolitische Nachlässigkeit und Oberflächlichkeit". Überhaupt orte er insgesamt, dass sich der "Parteienstaat" und die Konfrontation der politischen Parteien verfestige. Gleichzeitig werde die Rolle des Parlaments in wesentlichen Dingen vernachlässigt.