Van der Bellen zu Griss: "Das war alleine ihre Entscheidung"
Von Bernhard Gaul
KURIER: Am Mittwoch hat Irmgard Griss erklärt, Sie per Briefwahl gewählt zu haben. War es schwierig, Sie zu überreden?
Alexander Van der Bellen: Frau Dr. Griss ist eine Persönlichkeit, die ihre Entscheidungen selbst und selbstständig trifft. Das hat sie über Jahrzehnte bewiesen, und das war auch jetzt so. Wenn man versucht, jemand wie Irmgard Griss zu überreden, erzeugt man vermutlich nur das Gegenteil. Das war ganz alleine ihre Entscheidung.
Sie klang aber nicht restlos von Ihnen überzeugt.
Wenn Bundeskanzler Kern erklärt, er wird mich wählen, oder Heide Schmidt das tut, oder Josef Pröll und Othmar Karas, dann bedeutet das ja nicht, dass diese Persönlichkeiten zu hundert Prozent mit all meinen Aussagen oder den Facetten meiner Person einverstanden sind. Sie sind mit wesentlichen Punkten einverstanden. Oder sie halten mich zumindest für den besseren Kandidaten.
Gerade für konservative Bürgerliche bleiben Sie ein Gottseibeiuns, ein Linkslinker, für den man auch Peter Pilz und Erbschaftssteuern bekommt.
Verstehen tu’ ich das nicht ganz. Ich komme aus der Wirtschafts- und Finanzpolitik und bin ein überzeugter Anhänger der Marktwirtschaft mit den üblichen Einschränkungen, die ich auch mit konservativen Ökonomen teile, etwa, dass die soziale und die ökologische Frage vom Markt nicht gelöst wird. Ich habe mich immer als Linksliberalen bezeichnet, unlängst wurde ich als Liberaler mit ökosozialen Gewissen bezeichnet. Das gefällt mir eigentlich ganz gut.
Also gibt’s mit Ihnen Erbschafts- und Vermögenssteuern?
Ach, das kann doch der Bundespräsident gar nicht entscheiden.
Im KURIER warnt der Politologe Fritz Plasser vor einer massiven Spaltung der Gesellschaft durch diesen Lagerwahlkampf.
Ich vermeide den Begriff "Lager", das ist etwas Abgegrenztes mit einem Zaun. Die Wahlbewegung, die sich hinter mir versammelt hat, ist sicher kein Lager. Sie ist parteiübergreifend, es sind vor allem Menschen, die viel Gewicht auf eine pro-europäische Haltung legen.
Plasser meint, das Überwinden dieser Spaltung sei eine der großen innenpolitischen Herausforderungen.
Das sehe ich grundsätzlich auch so. Der Präsident hat eine wichtige Aufgabe, er ist aber damit nicht alleine. Und was ich vom neuen Kanzler Kern höre, lässt mich auch hoffen, dass auch die Bundesregierung diese Aufgaben ernst nimmt, und einen neuen Stil, eine neue Gesprächskultur, will. Da würde ich sehr gerne mithelfen, das zu entwickeln.
Kern hat klargemacht, dass die SPÖ mit Parteien, die hetzen, nicht zusammenarbeiten wird. Strache hat das so verstanden, dass die "Ausgrenzung" der FPÖ fortgesetzt wird. Vertieft das nicht genau diese Gräben?
Es geht nicht um die Frage der Ausgrenzung, sondern um die Frage, ob wir ein wichtiges Mitglied der europäischen Familie bleiben. Ich verkenne nicht, dass die EU derzeit große Probleme hat, zu Beschlüssen zu kommen. Als Antwort müssen wir aber diese Handlungsfähigkeit wiederherstellen und nicht der Illusion des Nationalismus anheimfallen.