Politik/Inland

"Das größte Problem, der Sold, ist ungelöst"

Die Sache mit der Armee passte Paul Eigruber so irgendwie gar nicht in den Lebensplan. Es war im Frühling, der junge Steirer hatte gerade die HTL-Matura geschafft und wollte sofort die nächste Ausbildung beginnen – Medientechnik und -design an einer Fachhochschule in Oberösterreich. Dem Studium stand nur eines im Weg: die sechs Monate Grundwehrdienst.

Verlorene Zeit, dachte der Kapfenberger damals. „Ich sah darin keinen Sinn, habe bei der Volksbefragung auch gegen die Wehrpflicht gestimmt“, sagt er zum KURIER.

Heute sitzt der 19-Jährige in der Zeltweger Kaserne, trägt eine olivgrüne Uniform und sieht vieles anders. Verlorene Zeit? Eigruber würde das so nie sagen, und das liegt nicht daran, dass der ihm Vorgesetzte in Hörweite sitzt. „Ich hab’ meine Meinung radikal geändert. Zusammenhalt und Kameradschaft sind im Heer sehr stark. Dass ich anfangs nur einen Rekruten kannte, war egal. Wir sind schnell zusammengewachsen.“

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Sicher, die Grundausbildung, das viele Marschieren mit schwerem Gepäck, der Schlafentzug, all das habe ihn gefordert. Den Eindruck, schikaniert zu werden, hatte der junge Steirer aber nie.

„Die Ausbildner haben sich bemüht, uns etwas beizubringen, und die Feldwoche war ein Highlight: Du schläfst im Freien, baust Feuerstellen, Latrinen. Es war einfach spannend.“

Zweifelsohne hat sich in den vergangenen Monaten manches im Grundwehrdienst geändert. Nachdem die Wähler im Jänner via Volksbefragung entschieden haben, dass Österreich die Wehrpflicht beibehalten muss, gab Ressortchef Gerald Klug den Befehl aus: „Die jungen Burschen sollen das Gefühl haben, dass sie bei uns etwas Sinnvolles gemacht haben.“ Das Heer sammelte 180 Ideen, wie man den Grundwehrdienst interessanter machen könnte. Manche sind längst umgesetzt, wie zum Beispiel das kostenlose T-Shirt, das jedem Burschen geschenkt wird, wenn er zur Stellung kommt.

Andere sind im Werden oder kommen erst im Laufe des nächsten Jahres. Dazu gehört etwa das kostenlose WLAN in Kasernen, in denen die Smartphones keinen Empfang haben.

Ungelöste Probleme

Bemerkenswert ist freilich, dass nicht alle Verbesserungen unmittelbar auf Klugs Initiative zurückzuführen sind. Wenn Rekruten heute erzählen, sie würden überraschend respektvoll behandelt, so hat das nicht unbedingt mit der Wehrdienst-Reform zu tun. „Bis vor zehn, fünfzehn Jahren waren bei den Grundwehrdienern noch Ausbildner tätig, die ihr Handwerk bei ehemaligen Kriegsteilnehmern ,gelernt‘ haben – entsprechend eigen war der Umgangston“, erzählt ein für die Ausbildung zuständiger Offizier im Ministerium.

Demgegenüber sei es heute ohne entsprechende Fortbildungen undenkbar, dass Ausbildner auf Rekruten „losgelassen“ würden. „Es wird viel mehr Wert auf ordentliches Führungsverhalten gelegt als noch vor zehn Jahren. Wir tun das auch aus Eigeninteresse – wir stehen ja in ständiger Konkurrenz zum Zivildienst.“

Das liebe Geld

Der bisweilen professionellere Umgangston ändert freilich nichts daran, dass eines der größten Probleme im Grundwehrdienst ungelöst bleibt. „Das größte Problem, der Sold, ist ungelöst. Mit 300 Euro im Monat ist es für viele schwer, über die Runden zu kommen. Kostenloses WLAN im Zimmer macht das nicht besser“, sagt Severin Stremitzer. Der Wiener diente sechs Monate in der Garde, diese Woche hat er abgerüstet.

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Als Wach-Soldat unterhielt er sich viel mit Kameraden, Vorgesetzte diskutierten mit ihm ganze Nacht-Dienste. Er hat also viel mitbekommen, fand manches durchaus spannend. „Beim Heer schläft der Schulabbrecher neben dem Akademiker, man bekommt einen guten Einblick, wer ,die Österreicher‘ wirklich sind.“

Auch die Selbstverständlichkeit, mit der Muslime ihren Glauben im Militär leben können, war für Stremitzer packend. „Da wird einfach fünf Mal am Tag gebetet, ganz selbstverständlich und ohne große Konflikte.“

Als sinnstiftend empfand der Ex-Rekrut die Monate bei der Armee trotzdem nicht. „Man biegt die Zeit herunter und im militärischen Alltag gibt es nach wie vor viele Leerläufe. Da fragt man sich, warum der Dienst statt um 16 Uhr nicht um 14 Uhr enden kann.“

Vielleicht hätte Stremitzer lieber bis 16 Uhr Dienst gemacht, hätte er eines der neuen „Module“ gemacht.

So heißen spezielle Kurse, die das Militär in einzelnen Kasernen anbietet, um Rekruten ihre Zeit beim Heer zu versüßen – eine der erwähnten 180 Ideen.

Thomas Arden-Stockinger hat sich für den Sonder-Kurs zur „Selbst- und Kameradenhilfe“ entschieden. „Vereinfacht gesagt ist das eine erweitere Erste-Hilfe-Ausbildung“, sagt der Pionier, der seit Juli in Melk Dienst tut.

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Die Kurs-Teilnehmer unternahmen Ausflüge zur Kremser Wasser-Rettung und der Notruf-Zentrale in St. Pölten. Wie verhalte ich mich als Helfer in Extrem-Situtionen? Wie funktioniert eine Notrufkette? All das sah und lernte der Soldat in dem neuen Kurs.

Wird er seine neuen Fähigkeiten im Heer anwenden? Er hofft, dass das nicht nötig sein wird. Aber jetzt weiß er zumindest, was zu tun ist, wenn man bei einer Massen-Karambolage auf der Autobahn helfen soll. „Und das“, sagt Arden-Stockinger, „kann man im Leben immer gebrauchen. Grundwehrdienst hin oder her.“