Buwog: Personalnot erzwingt Pause
Von Christian Böhmer
Die ersten Zuhörer sind gegangen, die Anwälte im Schwurgerichtssaal klappen ihre Laptops zusammen, da tut Marion Hohenecker etwas, was die Richterin im Buwog-Prozess in den vier Monaten zuvor tunlichst unterlassen hat: Sie wird ein bisserl schnippisch.
Es ist der 26. April, der dritte Tag, an dem Grasser-Spezi Walter Meischberger einvernommen wurde. Und zum Abschied lässt Hohenecker die Zuhörer sinngemäß wissen, dass sie selbst, ihre Beisitzer, ja überhaupt die ganze Justiz in den kommenden Wochen nicht gemütlich urlauben, sondern reichlich zu arbeiten haben – nur falls jemand fragen sollte.
Auf den ersten Blick klang das seltsam. Aber letztlich tat die Klarstellung Not.
Denn der Umstand, dass im wichtigsten Korruptionsprozess der jüngeren Zeitgeschichte bis 23. Mai und damit einen Monat lang nicht verhandelt wird, hat manchen Kommentator verblüfft. Die Lesart: Da ermittelt die Justiz acht Jahre lang, sammelt mehr als 108.000 (!) A4-Seiten im Akt, verfasst eine 825 Seiten lange Anklage, und obwohl sie weiß, dass so ein Großverfahren ein bis zwei Jahre dauert, gönnt sie sich eine wochenlange Verhandlungspause? Geht’s noch?
Um es kurz zu machen: So einfach ist es nicht. Es gibt gute Gründe für die Pause, und die haben auch mit den personellen Nöten der Justiz zu tun. Aber dazu später mehr. Zunächst zu den Schöffen: Die beiden Laienrichter, die mit den Berufsrichtern ein Urteil fällen, müssen ausnahmslos bei jeder Verhandlung anwesend sein – andernfalls wäre das Urteil später leicht anzufechten.
Von zehn „Reserve-Schöffen“ sind nach vier Monaten sechs weggefallen (fünf aus medizinischen Gründen, einer kam zu spät). Damit die Verbleibenden Beruf, Privatleben und Prozess vereinbaren können, wird zumindest auf unaufschiebbare Termine möglichst Rücksicht genommen.
Noch wichtiger ist ein anderes Faktum: die personelle Situation am Landesgericht.
Denn die in den Buwog-Prozess involvierten Berufsrichter bekommen zwar keine neuen Akten auf den Tisch, haben aber „Altlasten“ abzuarbeiten: Alle drei müssen neben der Buwog noch andere Wirtschaftsverfahren finalisieren – das passiert in der Verhandlungspause.
Überhaupt werden in der Buwog-Pause Verfahren vorangetrieben, die nichts mit der Buwog zu tun haben.
In Österreichs größtem Gericht sind gleichzeitig rund 1500 Verfahren offen. Wenn aber, wie im Falle der Buwog, von 20 Schriftführern drei für ein einziges Verfahren gesperrt bzw. abgestellt sind, verzögert das alle anderen Prozesse.
Eine der größten Herausforderungen sind die Protokolle: „Gerichtsprotokolle sind am Ende eines Verhandlungstages ja nicht fertig“, erklärt eine Richterin. Vieles sei mit Kürzeln notiert. Gerade bei Wirtschaftsstrafverfahren müssten komplexe Zusammenhänge, Firmennamen oder Steuerkonstrukte richtig wiedergegeben werden. Dazu werden die Tonbandaufnahmen nachgehört – das geht nur in Verhandlungspausen.
Allein die Protokolle für die ersten 20 Verhandlungstage der Buwog zählen mehr als 1400 Seiten. Die Protokolle für 12 weitere, bereits geführte Verhandlungstage sind in Bearbeitung. Richterin Hohenecker muss sie Korrektur lesen, ehe sie verschickt werden. Noch so etwas, was in der Verhandlungspause passieren muss.