Politik/Inland

Wie man sich mit (politischen) Gegnern doch noch versöhnen kann

Wie kann die in fast allen entwickelten Demokratien zu beobachtende politische Polarisierung der Gesellschaft überwunden werden?

Das ist eine der zweifelsohne spannendsten Fragen, mit der sich eine in diesen Tagen erscheinende Publikation der Politischen Akademie der ÖVP auseinandersetzt.

In dem von Wolfgang Mazal und Bettina Rausch herausgegebenen Sammelband „Bürgergesellschaft heute“ versucht beispielsweise der in Würzburg lehrende Historiker Benjamin Hasselhorn Antworten auf die eingangs gestellte Fragestellung zu finden – und gibt, vereinfacht gesagt, folgende Antwort:

Egal ob links oder rechts, ob reaktionär oder ultraliberal – damit eine Demokratie funktionieren und zwischen verfeindeten Lagern ein Brückenbau stattfinden kann, sind drei Schritte nötig: Die eigene und auch die fremde Erzählung bzw. die dahinter stehenden Werthaltungen müssen erst einmal gekannt werden; in einem nächsten Schritt muss man bereit sein, eigene Überzeugungen immer zu hinterfragen, weil man – wie die Gegenseite – leider zur Selbstbestätigung neigt; und drittens muss man ehrlich wollen, dass über unterschiedliche Positionen offen und fair gestritten wird.

Das Ziel des politischen Streits besteht trotz allem nicht darin, die Sichtweise des anderen zu übernehmen, sondern jene Werte zu finden, die integrieren, sprich: die man gemein hat – und die die Gesellschaft am Ende zusammenhalten.

Das Bestmögliche

Ein ganz praktischer Tipp, den Hasselhorn in dem Zusammenhang erwähnt, ist dieser: Anstatt Argumente und Aussagen seines Gegenübers auf die „schlechtestmögliche Weise“ zu verstehen – und damit zu verfälschen und zu karikieren – solle man sich ständig bemühen oder gar zwingen, Gegenpositionen immer auf die bestmögliche Weise zu verstehen.

Soviel zur Versöhnung der polarisierten Gesellschaft.

Die anderen Beiträge des Bandes kreisen auf höchst unterschiedliche Art um den Begriff der „Bürgerlichkeit“. Ausnahme-Historiker Ernst Bruckmüller geht der Frage nach, ob und inwiefern das Bürgertum und die „bürgerliche Gesellschaft“ noch etwas mit der modernen Zivilgesellschaft zu tun haben.

Der steirische Soziologe Manfred Prisching erklärt, warum man nicht von DER Bürgergesellschaft, sondern von DEN Bürgergesellschaften sprechen muss.

Und der deutsche Politikwissenschafter Werner Patzelt führt aus, unter welchen Voraussetzungen Radikalismus eine offene Gesellschaft voranbringt. Eine seiner wichtigsten Botschaften dabei: Die Bürgergesellschaft westlicher Prägung darf nicht als gegeben angesehen werden – es gilt sie immer wieder neu zu erkämpfen.

„Bürgergesellschaft heute“ bietet auf nicht ganz 500 Buchseiten eine Fülle an spannenden Lese- und vor allem Denk-Anreizen. Eine Empfehlung.