Brenner-Streit für FPÖ "Dilemma"
Von Bernhard Gaul
Das freiheitliche Weltbild ist in Tirol derzeit mitunter erschüttert. Die offenen Schengen-Grenzen waren ja, nicht zuletzt weil von der EU, gar nicht gut. Da konnte schon lange kommen, wer will. Außer am Brenner. Weil der trennt ja, was zusammengehört, Nord- und Osttirol von Südtirol.
Dann kam in der vergangenen Woche grünes Licht vom Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter für einen Grenzzaun – am Brenner. Das hält wiederum der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher für einen "enormen Rückschritt. Für uns Südtiroler ist das besonders schwerwiegend, weil für uns das europäische Projekt natürlich von besonderer Bedeutung ist – das Zusammenwachsen der historischen Landesteile Tirols auf dem europäischen Weg."
So steht es fast wörtlich auch im FPÖ-Parteiprogramm: "Wir streben die Einheit Tirols an." Von einem Grenzzaun am Brenner hält man in der Bundespartei wenig. Sogar der Burgenländer Norbert Hofer, die FPÖ-Hoffnung auf den Hofburg-Posten, ist in der Causa ganz Tiroler. Weil schon sein Vater im burgenländischen Pinkafeld ein großer Andreas-Hofer-Fan war und in Hofers Parlamentsbüro ein Porträt des Freiheitskämpfers hängt, wie er dem Südtiroler Online-Portal Salto verriet. Hofer gibt zu, wären die Schengen-Außengrenzen nicht löchrig, "dann bräuchten wir auch keine internen Grenzsicherungsmaßnahmen."
Bei den Tiroler Freiheitlichen bringt es der Sprecher des Tiroler FPÖ-Landesparteiobmanns Markus Abwerzger auf den Punkt. "Es ist schon ein großes Dilemma, die Situation ist natürlich nicht angenehm. Es ist ganz klar, dass wir jetzt Kontrollen brauchen, da führt kein Weg daran vorbei. Es ist nicht unser Traum und auch nicht unser Wunschziel." Man müsse derzeit aber schauen, dass es keinen Zuzug aus Südtirol gibt. Obwohl: "Südtirol hat aktuell rund 900 Asylwerber zu betreuen, wir in Tirol haben über 6000."
"Es ist nicht einmal daran zu denken, dass die Grenze am Brenner geschlossen wird", sagte der italienische Premier Matteo Renzi vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Der Brenner sei, so Renzi, ein Symbol für die Einigung Europas. Der Regierungschef zeigte aber auch zum Teil Verständnis für Österreichs "schwierige Position, da das Land vergleichsweise mehr Asylanträge als Italien hat". Dennoch sind Grenzzäune und Mauern keine Lösung für Renzi, der ein europäisches Asylsystem für nötig hält.
Außerdem sei eine Strategie für Lösungen vor Ort notwendig: "Wir benötigen internationale Investitionen in den Heimatländern (der Flüchtlinge, Anm.), in einigen Fällen sind auch diplomatische Interventionen und wirtschaftliche Unterstützung wie in Afrika nötig."
Im nächtlichen Beratungsmarathon ging Renzi mit osteuropäischen Regierungschefs auf Konfrontationskurs. Er drohte etwa Ungarn mit der Kürzung von EU-Strukturfonds: "Entweder ihr seid solidarisch im Geben und Nehmen und akzeptiert Migranten oder wir stellen die Unterstützungszahlungen ein. Dann werden wir weitersehen." Italien ist nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Beitragszahler – ein Drittel davon fließt in Strukturfonds für wirtschaftsschwache EU-Staaten.
Mehr Flüchtlinge
Nachdem Österreich die Grenze zu Italien stärker kontrolliert und Flüchtlingsobergrenzen einführt, herrscht in Italien große Verunsicherung. Man rechnet mit einem starken Zuwachs an Flüchtlingen – 50.000 neue Plätze seien erforderlich, heißt es in Rom.
Sogar der österreichische Botschafter in Rom, René Pollitzer, eilte diese Woche vor eine Parlamentskommission, um die neuen Grenzmanagement-Pläne zu erläutern. "Seit 16. September 2015 werden Kontrollen an den österreichischen Binnengrenzen durchgeführt. Das entspricht dem Schengen-Abkommen und stellt es nicht in Frage. Österreich ist nach wie vor für das Schengen-Abkommen, das als eine für Europa sehr wichtige Errungenschaft betrachtet wird", kommentierte der Botschafter: "Im Umgang mit den Grenzen, vor allem dem Brenner, wird sich nichts ändern."
Irene Mayer-Kilani aus Rom