Politik/Inland

AK-Präsident: "Einladung zum Missbrauch"

Er lässt nicht locker, er legt nach: Für Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske sind die Arbeitsmöglichkeiten ausländischer Firmen in Österreich ob mangelnder Kontrolle eine "Einladung zum Missbrauch". Laut EU-Entsenderichtlinie (siehe unten) ist beispielsweise ein tschechischer Unternehmer zwar verpflichtet, seinen Arbeiter, der in Österreicher tätig ist, nach hiesigem Kollektivvertrag zu bezahlen; in Wirklichkeit aber, sagt Kaske, "hat er mit seinem Beschäftigten einen Arbeitsvertrag, der sich am tschechischen Lohnniveau orientiert". Bei Sozialversicherung und Zulagen könne zudem getrickst werden – Lohn- und Sozialdumping sei Tür und Tor geöffnet, sagt Kaske im KURIER-Gespräch.

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420 Finanzpolizisten

"Unterm Strich können diese Unternehmen bis zu 30 Prozent günstiger sein als einheimische." Das gefährde österreichische Klein- und Mittelbetriebe ebenso wie Arbeitnehmer. Für den AK-Präsidenten gibt es nur eine Möglichkeit, dem Missbrauch Herr zu werden: 1000 statt 500 Finanzpolizisten.

Finanzminister Hans Jörg Schelling konterte Kaskes Kritik bislang so: Es sei beschlossene Sache, dass es zusätzliches Personal im Finanzbereich geben wird. Kaske geht es jedoch nicht um mehr Betriebsprüfer oder Steuerfahnder, sondern "einzig um Finanzpolizisten, die vor Ort prüfen". Laut AK-Präsident wurden die Planstellen von 510 im Vorjahr auf heuer 470 reduziert. "2018 soll auf 420 Finanzpolizisten abgebaut statt aufgestockt werden. Ich erwarte mir, dass Schelling Klartext zur Personalsituation der Finanzpolizei spricht."

Im Vorjahr prüfte die Finanz im Bereich illegale Beschäftigung 29.722 Betriebe, stellte 9709 Strafanträge über 32,5 Millionen Euro; 2014 waren es 34.686 geprüfte Unternehmen und Strafanträge über 28,5 Millionen.

Neben Finanzpolizisten wollen Kaske, SPÖ-Sozialminister Alois Stöger und SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch die EU-Entsenderichtlinie verschärfen. So soll ein Unternehmer einen Arbeitnehmer nur mehr einen Monat statt unbeschränkte Zeit entsenden dürfen.

Was besagt die EU-Entsenderichtlinie?

Dass ein Arbeitnehmer in einem EU-Mitgliedstaat angestellt ist, der Arbeitgeber ihn aber vorübergehend in einem anderen arbeiten lässt. Das heißt etwa: Ein ungarischer Arbeiter ist mehrere Wochen auf einer Baustelle in Österreich, angestellt und sozialversichert ist er in Ungarn.

Wie viele "Entsendete" gibt es in Österreich?

Laut Sozialministerium wurden im Vorjahr 136.000 Menschen zum Arbeiten nach Österreich entsendet. Das Gros (79.938) kam zwischen Jänner und November 2015 aus den zehn EU-Osterweiterungsländern; 5497 kamen aus Rumänien und Bulgarien, 2789 aus Kroatien, knapp 39.438 aus westlichen EU-Staaten. Im Vergleich dazu werkten 41.000 Österreicher im Ausland, davon 20.000 in Deutschland.

Arbeiten die "Entsendeten" zu den gleichen Bedingungen wie Österreicher?

Nein. Sie unterliegen zwar den österreichischen Kollektivverträgen (Gehalt, Höchstarbeitszeiten, Urlaub etc.). Deren Arbeitgeber zahlen aber Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge im Herkunftsland – und dort sind diese zumeist niedriger. Nach 183 Tagen müssen ausländische Unternehmen in Österreich Lohnsteuer zahlen, Sozialversicherung ist erst nach zwei Jahren fällig. Zusätzliches Problem: Der durchschnittliche Stundenlohn eines Handwerkers beträgt in Ungarn 4 Euro, in Bulgarien gar nur 3,7 Euro, in Österreich 13 Euro. Daher können viele ausländische Betriebe billiger anbieten als hiesige.

Kanzler Faymann fordert "gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort". Wie will das die SPÖ bewerkstelligen?

Sie möchte die Entsenderichtlinie verschärfen: Eine Arbeitskraft soll künftig nur mehr für maximal einen Monat nach Österreich entsendet werden dürfen. Die – zumeist niedrigeren – Sozialversicherungsbeiträge sollen auf österreichisches Niveau gehoben werden, um Lohndumping zu verhindern.

Wie steht die ÖVP dazu?

Ihr missfallen die Pläne. Österreicher würden "von der Freiheit des Personenverkehrs profitieren", etwa wenn sie in Bayern werken, sagt ÖVP-Chef Mitterlehner. Er warnt vor einem "Bumerang", die Wirtschaftskammer vor "willkürlicher Beschränkung des Arbeitsmarktes", die Industriellenvereinigung davor, "die Personenfreizügigkeit" zu beschränken. Die im EU-Vertrag verankerte Personenfreizügigkeit hat allerdings mit der Entsenderichtlinie nichts zu tun.