Politik/Inland

Ärzte erhöhen den Druck

Die Garage unter dem Wiener Museumsquartier war beinahe zu klein: Es staute. Zu viele große Autos. Oben, im Museumsquartier, fand gestern, Mittwoch, der erste Protest-Konvent der Ärzteschaft statt. Der Saal füllte sich bis 14 Uhr mit hunderten Funktionären; ein Meer aus weißen Kitteln – die sie alle mitgebracht, aber erst in der Halle übergeworfen hatten.

Die Standesvertretung hatte zur Veranstaltung gerufen und verabschiedete eine Protestnote: Die Ärztekammer wehrt sich gegen die geplante Reform des Gesundheitssystems. Wird sie von der Politik nicht in die Gespräche einbezogen, drohen im Jänner Ordinationsschließungen und Betriebsversammlungen in Spitälern.

Gemischte Gefühle

Für eine Ärztin aus dem Wilhelminenspital ist „Dienst nach Vorschrift“ auf jeden Fall eine Option. Ein Wiener Internist sagt hingegen: „Ich kann es mir nicht vorstellen, meine Praxis zu schließen – aus ethischen Gründen.“ Eine Kinderärztin winkt ebenfalls ab: „Das könnte ich mir nie leisten, ich habe ja noch einiges abzubezahlen.“ Einig sind sich alle Befragten aber darin, was drohe, falls die Politik ihre Linie durchzieht: „Der Patient steht dann nicht mehr im Mittelpunkt. Sondern die Kosten.“

Dass die Ärztekammer beginne, Patienten als „Faustpfand“ zu nehmen und mit ihren Kampagnen die Bevölkerung verunsichere, wie Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) sagte, wiesen Spitzenvertreter der Kammer vor dem Protest-Konvent zurück. „Der Vorwurf geht ins Leere“, sagte Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger. Es werde lediglich darauf aufmerksam gemacht, was die geplanten Neuerungen bringen könnten.

Harte Kritik

Den offenen Brief der Verhandler von Bund und Ländern, in welchem die Ärztekammer aufgefordert wurde, „den Weg konstruktiver Interessenpolitik nicht zu verlassen“, wird die Ärztekammer ihrerseits mit einem Schreiben beantworten. Beim Konvent wurde eine Resolution gegen „Zentralisierung, Verstaatlichung und weitere Bürokratisierung des Gesundheitswesens“ verabschiedet.

Die Kammer-Funktionäre vermuten, dass die geplante Kostendämpfung zwangsläufig schleichend zu Leistungskürzungen und damit zu einer „echten Zwei-Klassenmedizin“ führt. Wechselberger: „Wir sind nicht gegen Sparen, aber wir wollen endlich wissen, wo gespart werden soll.“

Sparplan: Elf Milliarden Euro bis 2020

Gedeckelt Das Ausgabenwachstum im Gesundheitssystem darf bis 2020 pro Jahr nicht höher sein als 3,6 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts. Bis 2016 sollen so 3,4 Milliarden Euro und elf Milliarden bis 2020 eingespart werden.

Instrument Bund, Länder und Sozialversicherung sollen künftig in gemeinsamen Gremien die Versorgung planen, steuern und dafür die Finanzierung verantworten. Mitte Dezember soll es dazu einen Bund-Länder-Vertrag geben.