83 Prozent bereitet Flüchtlingskrise Sorgen
Fast zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung sind von der aktuellen Flüchtlingssituation stark berührt. Mehr als vier Fünftel bereitet die Lage zumindest "eher mehr Sorgen". So das Ergebnis der aktuellen Online-Befragung von Marketagent.com, die heute Donnerstag präsentiert wurde.
Sorge in der Bevölkerung
Eine Erkenntnis der Studie ist, dass die aktuelle Zuwanderung 8 von 10 der Befragten Sorge bereitet, 83,7 Prozent zumindest mehr Sorge. Nur 16,3 Prozent machen sich "weniger Sorgen" oder "gar keine Sorge". Am besorgtesten sind FPÖ-Wähler (96,3 Prozent), gefolgt von ÖVP (75,8 Prozent) und SPÖ (72 Prozent); zum Vergleich: In der Gruppe der Grünwähler sind es 58,2 Prozent. 8 von 10 Österreichern (81,7 Prozent erwarten zudem, dass sich die Flüchtlingssituation verschärfen wird, während nur 4,7 Prozent mit einer Entspannung rechnen. Das Meinungsforschungsinstitut fand heraus, dass Jüngere und Grüne-, SPÖ-, und ÖVP-Wähler weniger glauben, dass sich die Flüchtlingssituation auf jeden Fall verschärfen wird, als die der FPÖ.
Legitime Fluchtgründe
Als Hauptgrund für die Flucht nach Europa sehen 81,5 Prozent den „Krieg in den Heimatländern der Flüchtlinge“, gefolgt vom „Wunsch nach einem besseren Leben“ (69,2 Prozent), die „Verfolgung aus politischen und/oder religiösen Gründen“ (52,8 Prozent), „keine Arbeit und kein Auskommen im Heimatland“ (39 Prozent), „Zugehörigkeit zu einer verfolgten Volksgruppe“ (27,1 Prozent), „Hunger und Naturkatastrophen im Heimatland“ (19,2 Prozent).
„Krieg im Heimatland“ gilt für 79,2 Prozent der Bevölkerung als legitimer Fluchtgrund für 79,2 Prozent der Bevölkerung, gefolgt von „Verfolgung aus politischen/und oder religiösen Gründen“ (52,8), Hunger und Naturkatastrophen (38), „Zugehörigkeit zu einer verfolgten Volksgruppe“ (33,3). Den „Wunsch nach einem besseren Leben für sich und die eigenen Kinder“ werten nur 12,8 Prozent als legitimen Fluchtgrund. Nur 9,6 Prozent haben Verständnis für eine Flucht, wenn „Keine Arbeit und kein Auskommen im Heimatland besteht“.
Unfaire Verteilung
87 Prozent der Befragtem finden die aktuelle Verteilung der Flüchtlinge in den einzelnen EU-Ländern eher unfair; nur 6 Prozent finden sie „eher fair“ bzw. „sehr fair“. Beispielhaft für den Umgang mit Flüchtlingen werden Österreich (62,7 Prozent), Deutschland (61,5 Prozent) und Schweden (25,5 Prozent) gesehen. Dann folgen Ungarn (10,9), Italien (10,4) und Griechenland (8,5).
23,1 Prozent haben sich laut der Studie bereits in der Flüchtlingshilfe engagiert, 76,9 Prozent noch nicht. Jene mit Matura bzw. Universitäts-Ausbildung weisen ein deutlich höheres Engagement auf, als Absolventen von Pflichtschulen bzw. Lehre oder Fachschulen. Jeder Fünfte, der sich aktuell noch nicht engagiert, könnte sich aber ein künftiges Engagement in der Flüchtlingshilfe vorstellen.
Vorteile und Befürchtungen
54,6 Prozent der befragten Österreicher sehen keine Vorteile von Zuwanderung durch Flüchtlinge in Österreich. 28 Prozent sehen Vorteile der Zuwanderungen von Flüchtlingen „durch Arbeitskräfte für Bereiche, wo Mangel in Österreich herrscht“, 19,4 Prozent, weil sie „der Überalterung der Bevölkerung entgegenwirkt“ und 17,6 Prozent finden dass eine „Durchmischung der Kultur das Leben insgesamt interessanter macht“.
Nur 4,5 Prozent der Österreicher hat keine persönlichen Befürchtungen bezüglich der Zuwanderung durch Flüchtlinge. 69,1 Prozent fürchten etwa eine Belastung für das österreichische Sozialsystem, und 65,8 Prozent mehr soziale Konflikte, 63,1 Prozent Probleme mit dem Bildungssystem, 60,1 eine zunehmende Islamisierung.
Die Studienautoren merken an, dass 43 Prozent der Befragten gerne ein stärkeres Engagement Österreichs für eintreffende Flüchtlinge hätten, wobei man einem Flüchtlingslager in der Nachbarschaft eher skeptisch gegensteht. 55,4 Prozent befürworten eine Integration von Flüchtlingskindern in „regulären“ Schulklassen.
Schlechtes Zeugnis für Asylpolitik
61,7 Prozent der Befragten seien mit der Regierungsarbeit in der Flüchtlingsfrage „eher nicht zufrieden“ und knapp drei Viertel (73,7 Prozent) trauen der Regierung nicht zu, in der Flüchtlingsfrage ein sinnvolles Konzept zu erarbeiten. Im Gegenzug traut jeder Vierte (24,2 Prozent) der FPÖ zu, sinnvolle Konzepte zur Bewältigung der Flüchtlingssituation zu finden. Der SPÖ trauen dies 11,1 Prozent zu, der ÖVP 7,2 Prozent und den Grünen 6,2 Prozent.
Als Politiker, der sich in der aktuellen Flüchtlingssituation besonders gut verhält, wird von 31,9 Prozent der Befragten Außenminister Sebastian Kurz angegeben. Bundespräsident Heinz Fischer kommt auf 17,1 und Bundeskanzler Werner Faymann auf 13,8 Prozent. 23 Prozent können keinen Politiker angeben, der sich in der aktuellen Flüchtlingssituation besonders gut verhält. Das größte Engagement wird NGOs (30,1) und privaten Organisationen (29,1) zugesprochen.
Säumigkeit von Bundesländern
Die Befragten sind der Meinung, dass das Engagement in nicht allen österreichischen Bundesländern gleich stark ausgeprägt ist. Das geringste Engagement wird Vorarlberg und Tirol zugeordnet (68,5 bzw. 65,1 Prozent stimmen der Aussage zu), während nur 9,3 Prozent finden, dass Wien sich zu wenig in der Flüchtlingssituation engagiert.
73,6 Prozent der Befragten fordern einen verpflichtenden Beitrag von Ländern bzw. Gemeinden. In Wien, Niederösterreich und Oberösterreich ist diese Forderung weit ausgeprägter als in Tirol und Vorarlberg. Im Mittel sollte eine Gemeinde oder Stadt zwei Flüchtlinge pro 100 Einwohner aufnehmen.
Schärfere Kontrollen an den EU-Außengrenzen werden von 54 Prozent befürwortet, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Österreich von 41 Prozent, Personenkontrollen an Autobahnen in Österreich von 40,1 Prozent und Grenzzäune an den EU-Außengrenzen von 32,2 Prozent. Jeder Dritte (32,4 Prozent) würde die Grenzen komplett schließen und gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. 63,2 Prozent sind für die durchgehende Einführung von Grenzkontrollen aufgrund der Flüchtlingssituation. Die Fortsetzung der bisherigen Flüchtlingspolitik befürworten hingegen nur 14,9 Prozent und 12,6 Prozent fordern nur jene Flüchtlinge aufzunehmen, die kulturell zu Österreich passen. Mehr als die Hälfte denkt, dass Österreich weniger Flüchtlinge als bisher aufnehmen sollte.
Bei der Frage, ob der österreichische Arbeitsmarkt für Asylwerber geöffnet werden soll, ist die Meinung gespalten: 49,3 Prozent befürworten die Öffnung, während 50,7 Prozent sie ablehnen, und 37 Prozent denken, dass man die „Fachkräftelücke“ durch Zuwanderung schließen kann. Am wichtigsten für eine funktionierende Integration wird das Erlernen der deutschen Sprache gewertet: 85,5 Prozent bewerten diesen Punkt als sehr wichtig, gefolgt von der aktiven Bereitschaft sich in die österreichische Lebensweise einzugliedern (61,3 Prozent). 62,2 Prozent der Befragten fordern zudem ein Gesetz, das zum Erlernen der deutschen Sprache verpflichtet.
Insgesamt wurden bei der repräsentativen Online-Umfrage in der zweiten Septemberhälfte rund 2.000 Interviews durchgeführt. „Durch die Onlineumfrage ist auch der Interviewer-Effekt, der zu einem sozialakzeptierten Antwortverhalten führen kann, minimiert“, erläutert Mag. Thomas Schwabl, CEO von Marketagent.com.