Kleine Kugel – große Wirkung
Von Hedwig Derka
Kiara neigt zur Scheinträchtigkeit. Obwohl die Hündin nicht gedeckt ist, zeigt sie sechs Wochen nach der Läufigkeit Anzeichen einer werdenden Mutter. Sie ist unruhig, die Milchdrüsen sind geschwollen und sie beginnt den Nesterlbau. Keine angenehme Situation für den Vierbeiner. Doch sein Halter kennt mittlerweile das richtige Mittel zum sanften Gegensteuern.
"Homöopathie ist kein Allheilmittel. Aber es gibt zahlreiche Einsatzgebiete in der Veterinärmedizin, wo damit gute Erfolge zu erzielen sind", sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn vertraut der Schulmedizin, weiß aber auch, dass vielen Haustieren mit Kugerln und Tropfen geholfen werden kann. Zoodoc Ineke Krieger aus der Tierärztlichen Ordination Tiergarten Schönbrunn kennt ebenfalls mehr Vor- als Nachteile der Behandlungsmethode: "Oft hilft Homöopathie, wo die Schulmedizin am Ende ist. Man sollte sie viel öfter als echte Alternative in Betracht ziehen." Homöopathie kommt bei der Pflege leidender Heimtiere immer häufiger zum Einsatz.
"Ähnliches mit Ähnlichem heilen", mit diesem Prinzip legte Samuel Hahnemann um 1800 den Grundstein der Homöopathie: Pflanzenextrakte, Mineralien und tierische Essenzen – bis zum nicht mehr Nachweisbaren verdünnt – rufen bei Gesunden ähnliche Symptome hervor wie die Krankheit. Und heilen. In Form weißer Kügelchen auf Basis von zerriebenem Zucker, als wässrige Lösungen oder in Alkohol aufgelöst, geben sie dem Körper den Anstoß zur Selbstregulation. "Ich bin unglaublich skeptisch, aber ich sehe, dass Homöopathie wirkt. Vielleicht auch nur wegen des Placebo-Effekts", sagt Krieger. Studien fehlen.
Die Expertin aus dem KURIER-Tiercoach-Team setzt Globuli und Tropfen erst nach ausführlicher Anamnese ein – vor allem zur Unterstützung des Immunsystems, bei Allergien, Harnwegsinfekten sowie bei Durchfall. "Ein gebrochenes Haxerl muss natürlich chirurgisch versorgt oder mit Verband fixiert werden. Da kann die Homöopathie nur die Wundheilung fördern", sagt der Zoodoc. Ein Hund mit Krebs braucht konventionelle Therapie, ein Meerschweinchen mit schwerer bakterieller Entzündung kommt nicht ohne Antibiotikum aus. "Man muss immer das Gesamtbild sehen. Und die Grenzen der Homöopathie", betont Krieger. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Freilich muss auch der richtige Wirkstoff aus 2000 Mitteln der Humanmedizin gewählt und individuell auf den Tier-Patienten abgestimmt werden – ein weiteres Grundprinzip der alternativen Medizin.
Gabe
Die Behandlung ist relativ einfach: Hunde mögen den Zuckergeschmack. Sie verschlingen die Globuli mit Genuss. Kaninchen und Ratten stehen ebenfalls auf Süßes. Katzen sind etwas heikler. "Die Substanz vom Finger direkt ins Maul zu verabreichen, das schafft jeder Besitzer", beruhigt jedoch die Expertin. Globuli ins Futter mischen: Suboptimal.
"Das Um und Auf ist, dass man bei den ersten Anzeichen einer Erkrankung reagiert", erklärt der Zoodoc. Dann lässt sich die körpereigene Abwehr noch mit geringer Dosis stimulieren. Nebenwirkungen: So gut wie keine. Trotzdem muss verantwortungsbewusst mit der Arznei der verdünnten Moleküle umgegangen werden. Manche Wirkstoffe sind zudem giftig. Ineke Krieger: "Homöopathie darf man nicht so zum Spaß einsetzen. Man sollte den Tierarzt seines Vertrauens fragen. Der klärt, was neben der Schulmedizin noch möglich ist."
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