Politik

Georgien: Ein Milliardär will an die Macht

Michail Saakaschwili kann seine Stehsätze. Dass Demokratien lernen müssten; dass auch seine Regierung nicht ohne Fehler sei, dass sie aber gelernt hätte; dass er und sein Team alles tun würden, um eine "offene Gesellschaft" aufzubauen; eine Aufgabe, der er sich ganz und gar verschrieben hätte. Michail Saakaschwili, der Demokrat, der Reformer, so wie er sich gerne präsentiert – und wie ihn der Westen auch lange sah. Zuletzt in New York.

Daheim aber, in Georgien, da feuert auch Bidsina Iwanischwili seine rhetorischen Geschütze ab. Und die klingen ganz anders. Ein Trommelfeuer auf ein, wie es der Oppositionsführer nennt, "kriminelles Regime", dessen Tage gezählt seien.

Es ist Wahlkampf in Georgien. Am Montag bestimmen die Wähler über ein neues Parlament – und damit darüber, wer künftig in Georgien das Sagen haben wird. Denn mit der bevorstehenden Präsidentenwahl kommendes Frühjahr werden Verfassungsänderungen in Kraft treten, die Georgien von einer präsidialen Republik in eine parlamentarische umwandeln. Kritiker meinen nach zwei Amtsperioden als Präsident wolle Saakaschwili nun Premier werden. Aber, dass er dazu die Stimmen bekommt, steht infrage.

Besen

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Schon ist nach der Veröffentlichung von Foltervideos aus Gefängnissen von einer Besenrevolution gegen Saakaschwili die Rede, der durch die Rosenrevolution 2003 an die Macht gekommen war. Besen, weil in den Videos zu sehen ist, wie Häftlinge mit Besen vergewaltigt werden – und Gegner der Regierung bei Demos nun Besen verbrennen. Es ist vor allem die Ruhe und Sorgfalt der mit Listen hantierenden, folternden Gefängniswärter, die Saakaschwilis Darstellung des Skandals als Einzelfall ins Wanken bringt. Und es sind vor allem Verhaftungen Oppositioneller in den Wochen vor der Wahl, die  international Kritik an Saakaschwili laut hat werden lassen.

Der Folter-Fall, so Iwanischwili, habe das "wahre Gesicht des Regimes Saakaschwilis" offenbart. Ein Regime, dessen Sturz der Multimillionär seinen Wählern versprochen hat. Ein Sturz via Wahlzettel. Man dürfe der Staatsmacht keinen Vorwand bieten, mit Gewalt einzuschreiten, so sagt er.

Binnen nur eines Jahres war Iwanischwili vom steinreichen Unternehmer zum aussichtsreichen Herausforderer Saakaschwilis avanciert. Laut Forbes rangiert er mit einem geschätzten Vermögen von 6,4 Milliarden Dollar auf Platz 153 der weltweit reichsten Personen. Und mit Abstand ist er der reichste Mann Georgiens. Der vierfache Vater besitzt Fernsehsender, Hotels, Import-Unternehmen sowie einen Picasso für 95 Millionen Dollar und hat sich durch Investitionen und Spenden  über Jahre in Georgien beliebt gemacht.

Vielleicht hat Michail Saakaschwili schon geahnt, dass es der Unternehmer mit ihm aufnehmen möchte, nachdem sich Iwanischwili in Tiflis für geschätzte 50 Millionen Dollar eine Residenz bauen ließ – die Stadt überragend auf dem Berg genau gegenüber jenem Hügel, auf dem der Präsidentenpalast steht.

Jetzt spricht Iwanischwili von einer Wahl zwischen "Gut und Böse". Zwischen sich und Sakaschwili. Zwischen seiner Bewegung "Georgischer Traum" und dem Regierungsbündnis "Vereinigte Nationalbewegung".

Georgischer Traum, das ist der Name der Band von Iwanischwilis Sohnes Bera – in Georgien ein bekannter Rapper. Die Partei steht wie Saakaschwili für eine Annäherung an den Westen. Eine Integration in EU und NATO. Sie verspricht Kampf gegen Armut, eine Stärkung des Mittelstandes und der so wichtigen Agrarwirtschaft.

Vorwürfe

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Saakaschwili spricht von einem "russischen Projekt" und Mafiamethoden. Die Staatsanwaltschaft lud unter anderem einen Ex-Minister und heutigen Gegner Saakaschwilis vor – wegen angeblicher Kontakte zu einem in Paris lebenden georgischen Mafioso. Er habe dort um Geld und materielle  Unterstützung (Waffen) für Iwanischwili geworben, so der Vorwurf. Ziel der Opposition sei es,  zu destabilisieren, so die Staatsanwaltschaft – im Chor mit der Regierung.

Für die Wähler ist es die Wahl zwischen einem bekannten Gesicht, einem Mann, der sich zwar in vielen Dingen unbeliebt gemacht, aber doch – und das sagen auch Kritiker –  manches bewegt hat. Und einem Neuling.

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