Frankreich: Terrorpanik wegen Geisteskranken
Es war keine radikal-islamische Terroraktion, aber der Ort des Geschehens und die Selbstdarstellung des Täters als Anhänger der El Kaida weckten böse Erinnerungen. Gegen 16 Uhr gelang es am Mittwoch einer Spezialeinheit der Polizei, den 26-jährigen Fethi Boumaza zu überwältigen, der am Vormittag in eine Bank eingedrungen war und vier Angestellte in seine Gewalt gebracht hatte. Polizisten und Geiseln, die zuvor schrittweise von ihm freigelassen wurden, blieben unverletzt. Der Täter wurde von Polizisten angeschossen, als er mit der letzten Geisel aus der Bank trat und seine Waffe auf sie richtete.
An Hand und Schenkel verletzt, flüchtete der Mann in die Bank zurück, wo er Feuer zu legen versuchte und schließlich überwältigt wurde. Dabei stellte sich heraus, dass seine Waffe nur Gummigeschoße abfeuern konnte.
"Seine Forderungen waren ziemlich konfus", erklärte nach Ende der Aktion jener Staatsanwalt, der mit dem Geiselnehmer verhandelt hatte. Der Täter hatte in einem ersten Gespräch verlangt, man möge verlautbaren, dass er aus "religiösen Motiven" handle. Der Staatsanwalt nachträglich dazu: "Ich bin kein Arzt. Aber es ist klar, dass er unter schweren psychischen Störungen leidet, und dass seine alles andere als rationale Handlungsweise von diesen Störungen ausging." Schon zuvor hatten Verwandte und Bekannte des Täters berichtet, er sei religiös nie in Erscheinung getreten, dafür aber mehrmals in psychiatrischer Behandlung gewesen. "Man musste ihn ein bisschen betreuen", erzählte ein Ex-Kollege aus einer Pizza-Lieferfirma.
Angst vor Islamisten
Der Überfall fand ausgerechnet in dem Viertel statt, in dem sich im März der El-Kaida-Anhänger Mohamed Merah verschanzt hatte, bevor ihn die Spezialeinheit RAID nach nächtlicher Belagerung tötete. Merah hatte in den Tagen zuvor zwei Soldaten, die in Afghanistan gedient hatten, erschossen und bei einem Blutbad in einer jüdischen Schule drei Kinder und einen Lehrer getötet.
Von einer solchen mörderischen Zielstrebigkeit war bei dem gestrigen Geiselnehmer keine Spur. Allerdings gibt es bei Teilen der Jugendlichen in den Vororten der französischen Städte, die in Kriminalität abgerutscht sind, manchmal fließende Übergänge zu islamischem Extremismus.
In Gefängnissen geben islamische Fundamentalisten unter einem Teil der jungen Häftlinge den Ton an. Auch der 22-jährige Merah, der ursprünglich durch Gewaltausbrüche und Diebstähle aufgefallen war, schwenkte nach einem Gefängnisaufenthalt auf religiöse Phrasen um.
Bei der Mehrheit der französischen Muslime herrscht Entsetzen über diese wenigen Jugendliche, die auf diese Bahn geraten. Der älteste Bruder von Mohamed Merah, Abdelghani, erklärte: "Ich bin wegen der Grausamkeit der Massaker, die mein Bruder verübte, am Boden zerstört. Er war ein Monster voll des Hasses." Er und die Mutter hätten die Behörden gewarnt, sie seien aber nicht erhört worden.