Politik

Europas Protestparteien auf dem Vormarsch

Fast jeder fünfte Franzose ließ sich am Sonntag von Marine Le Pens T­iraden gegen die EU und gegen die "Überfremdung der Heimat" überzeugen.

Geert Wilders brauchte nur den Daumen über den niederländischen Sparplänen zu senken – und schon war die Regierung eines europäischen Kernlandes gezwungen, das Handtuch zu werfen.

In Griechenland steht die rechtsextremistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) am 6. Mai vor dem Sprung ins Parlament. Ihr "Führer" Nikos Michaloliakos, der sich als "n­ational-sozialistisch" bezeichnet, fordert die Einstellung des Schuldendienstes, lobt die Militärjunta der 60er-Jahre und will die Grenze zur Türkei verminen.

Rechter Höhenflug

Es sind nur drei aktuelle Beispiele für den Höhenflug rechter Protestparteien in Europa. Ob in Frankreich oder den Niederlanden, in Finnland, Dänemark oder Schweden, in Italien oder Griechenland, Ungarn oder Belgien, in der Schweiz und auch in Österreich – überall haben sie sich einen großen Einfluss auf die Politik gesichert.

Wobei die Unterschiede zwischen diesen Kräften enorm sind: So sorgte eine Mitarbeiterin der Wahren Finnen kürzlich mit der Forderung für einen Eklat, Homosexuelle und Migranten mit Armbinden und implantierten Chips zu kennzeichnen. Wilders hingegen tritt für sexuelle Freiheit, Emanzipation und Homo-Ehe ein und preist sie als Errungenschaften gegenüber dem "rückständigen Islam" an.

Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten dieser "Dagegen-Parteien": Alle profitieren von der Wirtschafts- und Schuldenkrise. In Zeiten rigorosen Sparens, in denen es nichts zu verteilen gibt, fühlen sich viele Menschen in ihrer Existenz bedroht und suchen Sündenböcke. Sie haben das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren. Korruptionsskandale verstärken diesen Erosionsprozess.

Feindbilder

Dazu kommt, dass sich die großen Volksparteien ideologisch stark angenähert haben. Sie kreisen um die politische Mitte. Umso schärfer wirkt das Kontrastprogramm der Populisten, die lustvoll politische Tabus brechen und einfache Lösungen versprechen. "Ausländer raus" und "Alle schuldigen Politiker in Straflager auf einsame Inseln", fordert der griechische Neo­faschist Michaloliakos – und erntet damit den Applaus so mancher Bürger, die alles verloren haben.

In schlechten Zeiten funktionieren die Feindbilder der Populisten am besten: Die "abgehobenen und korrupten Eliten", die das einfache Volk nicht mehr vertreten; die geldgierigen EU-Bürokraten im fernen Brüssel; die Fremden, die den Einheimischen Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen.

Politologen warnen vor dem drohenden Rückfall in einen antieuropäischen N­ationalismus. Wer sich als wahrer Vertreter des Volkes darstelle, maße sich zudem die Deutungshoheit darüber an, wer zum Volk gehört und wer nicht.

Die Protestparteien sind jedenfalls eine Herausforderung für die etablierten Politiker: Es ist an ihnen, die Gründe für den Protest zu verkleinern und die Feindbilder glaubwürdig zu entkräften.

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