Politik

Eine Sekunde Schlaf, zwei Jahre Haft

Hol` mich hier raus!" Radost Kristöfel, 47, hört diesen Satz drei Mal in der Woche. Immer, wenn zwischen 11 und 12 Uhr ihr Freund aus einem serbischen Gefängnis anruft. Christian Bucher klingt dann verzweifelt. „Jedes Telefonat beginnt mit dieser Bitte", erzählt die Wienerin.

Seit dem 12. März steht für die 47-Jährige die Zeit beinahe still. Tage kommen ihr wie Jahre vor. Christian Bucher wurde damals noch im Gerichtssaal in Pirot, im Südosten Serbiens, verhaftet. Unweit jener Stelle, an der einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hatte. Zwei Jahre und drei Monate Gefängnis lautete das Urteil.

Sekundenschlaf

Alle Inhalte anzeigen

Unverhältnismäßig hart für eine fahrlässige Tötung, würden selbst Laien sagen. Unverhältnismäßig hart ist es auch, wenn man die Umstände berücksichtigt. Dem Wiener EDV-Programmierer waren auf einer Fahrt in den Urlaub am Heiligen Abend 2011 die Augen zugefallen. Sein Lancia, in dem auch Kristöfel und ein Freund saßen, kollidierte mit einem Pkw, dessen Fahrer starb. War Alkohol im Spiel? Nein. Raserei? Laut Gutachter nicht.

Die serbische Justiz kannte aber keine Gnade. Kristöfel und der Begleiter bekamen ihren Pass zurück, Bucher nicht. Der Prozess nahm einen fatalen Ausgang. Aus dem geplanten Urlaub kehrte der 49-Jährige nicht mehr zurück – zumindest bis jetzt. Derzeit be­mühen sich nämlich Justiz, Außenministerium und Verwandte, den Häftling nach Österreich zu überstellen.

Die ersten drei Wochen waren für den 49-Jährigen hart. Zwölf Personen stiegen sich in seiner Vier-Mann-Zelle auf die Zehen. Ihre Notdurft verrichteten sie in einem Kübel. Bucher wurde danach nach „Srmska Mitrovica" überstellt. „Anfangs traute er sich aus Angst nicht auf den Hof", erzählt seine Freundin.

Überstellung

Kristöfel und Buchers Mutter sparen sich ihre Besuchszeit auf. Drei Stunden alle drei Monate dürfen sie ihn im „Hotel", dem Besucherraum, sehen. Ob sie nochmals die weite Reise antreten werden, entscheiden die österreichische und die serbische Justiz. Die Behörden verhandeln, unter welchen Bedingungen Bucher überstellt werden kann. Das Prozedere ist zum Leidwesen Kristöfels zeitintensiv. Nur zehn ähnlich gelagerte Fälle muss die heimische Justiz jährlich bearbeiten. „Wir müssen das Urteil an die österreichische Gesetzeslage anpassen", sagt Thomas Vecsey von der Staatsanwaltschaft Wien. Anders gesagt: Die heimische Justiz muss feststellen, welche Strafe er in Österreich ausfassen würde.

Sie wäre viel geringer. Die Maximalstrafe beträgt ein Jahr bedingte Haft. Eine Haftstrafe bliebe ihm erspart. Die serbische Seite muss dann dem „milderen" Urteil noch zustimmen. Karl Klein, der Wiener Anwalt der Familie Bucher, unterstützt die Behörden. „Ich gehe von einer positiven Erledigung aus." Warum? „Wenn Serbien Richtung EU schielt, dann muss das Land das Strafrecht ohnehin anpassen." Kristöfel sitzt auf Nadeln. „Ich bin nonstop besorgt." An eine rasche Überstellung glaubt sie nicht. Nächster Besuchstermin: 24. August.