Politik

Dubai-Arzt will keine Begnadigung

Der Dubaier Staats­anwalt forderte die Todesstrafe – das Gericht verdonnerte Eugen Adelsmayr zu lebenslanger Haft. 462 Tage dauerte der Mordprozess in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in dem der 53-Jährige bezichtigt wurde, einen Patienten falsch behandelt, ihm Hilfe vorenthalten und ihn damit ermordet zu haben. Es gab keine Beweise, keine Obduktion, aber eine manipulierte Anklage. Der Arzt durfte zwischen den Prozessterminen seine krebskranke Frau in Bad Ischl pflegen. Im Jänner starb sie. Er blieb zu Hause und wartete auf das Urteil. KURIER: Lebenslänglich. Was war Ihr erster Gedanke?Eugen Adelsmayr: Das Wort Enttäuschung trifft es nicht. Es ist schwer, das vernünftig zu kommentieren. Der Prozess war eine Farce. Am Samstag sagten Sie noch, dass Sie mit einem Schuldspruch rechnen. Nun sind Sie doch überrascht? Mit einem Urteil in dieser Form habe ich nicht gerechnet. Ich habe geglaubt, dass sie den mitangeklagten Arzt, dem sie Schutz versprochen haben, zuerst irgendwie raus­boxen. Wir hängen ja zu­sammen wie siamesische Zwillinge. Die Mühe, das Verfahren zu entkoppeln, haben sie sich nicht gemacht. Sie haben mich, den mutmaßlichen Anstifter, verurteilt, und den zweiten Arzt, den mutmaß­lichen Ausführer der Tat, freigesprochen.

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Wie hat das Gericht das Urteil begründet? Eine Begründung gab es nicht. Meine Anwältin war fassungslos. Aber es war klar: Die involvierte Gesundheitsbehörde ist eine Regierungsbehörde, die vom Bruder des Scheichs geführt wird. Die ist sakrosant, daran hat sich der Richter gehalten. Der Richter hat sich geärgert, dass Sie nicht da waren. Der Richter hat alle Fakten ignoriert. Ich habe ihn sicher in seinem Stolz gekränkt, weil ich nicht da war und ihn ignoriert habe. Aber es gab eine Weisung von oben: Den einen Arzt, der mich auch noch brav belastet hat, verschont ihr, den Lästigen nicht. ... Soll ich Ihnen sagen, was mich ärgert. Mich ärgert, dass der Richter dem gefälschten Dokument vollinhaltlich gefolgt ist. Und dass ich jene zwei Ärzte, die mich angezeigt haben, nicht mehr belangen kann. Werden Sie um eine Begnadigung ansuchen? Eine Begnadigung kommt nicht infrage. Ich werde sicher nicht ansuchen. Zumindest das Verfahren ist jetzt vorbei ... ... Nein. Natürlich kann es jetzt sein, dass die pakista­nische Familie des Toten Schadenersatz will. Es gibt genug findige Anwälte.

Geht es jetzt zurück in den Alltag? Ich will auf euro­päischer Ebene weiterkämpfen, andere wie Amnesty International einbinden. Für mich ist das Verfahren mit dem Urteil nicht abgeschlossen. Ich muss schauen, welche Rechtsmittel es in Europa gibt. Ich bin kein Einzelfall. Eugen Adelsmayr gegen die Vereinigten Arabischen Emirate. Das klingt nach David gegen Goliath. Ich habe mein Buch, das ist eine starke Waffe. Das möchte ich ins Englische übersetzen. Und ich habe noch eine Liste von Patienten, denen die Therapie einfach entzogen wurde. Die möchte ich der englischen Ausgabe beilegen. Was heißt "die Therapie entzogen"? Das heißt, dass die Be­atmung abgedreht wurde. Das hilft mir und den Patienten nicht mehr. Unter den Betroffenen waren aber auch Einheimische, die das sicher nicht hinnehmen werden. In Zukunft sind Sie in Ihrer Reisefreiheit eingeschränkt ... ... Ich glaube nicht, dass es viele Länder gibt, die mich ausliefern würden. Aber das sind derzeit Spekulationen. Sie arbeiten in einer Salzburger Privatklinik. Was wird Ihr Arbeitgeber sagen? Der ist froh, dass er mich hat. Der steht hinter mir. Nachträglich betrachtet: War der Gang nach Dubai ein Fehler? Da gibt es so viele Wenns und Abers. Was ich aber sagen kann: Ich würde niemandem mehr raten, dort runterzugehen. Ihr Sohn ist Arzt. Was ist, wenn er will? Das käme nicht infrage. Er will auch gar nicht. Wer sich das überlegt, der sollte sich vorher mein Buch durch­lesen. Können Sie dem Urteil etwas Positives abgewinnen? Das Positive daran: Das Urteil ist so falsch, dass es jeder erkennt und sich jeder Kommentar erübrigt.

Wie es jetzt weitergeht

Was sagen öster­reichische Behördenvertreter, Diplomaten und Menschenrechtler zum Urteil? Der KURIER beantwortet offene Fragen zum Fall des ver­urteilten Mediziners.

Kann Eugen Adelsmayr gegen das Urteil berufen? Da er nicht vor Ort ist, kann er keine Berufung einbringen. Seine Anwältin konnte ihn zuletzt wegen seines Fernbleibens nicht mehr vertreten. Die Du­baier Staatsanwaltschaft hat 15 Tage Zeit, um ein Rechtsmittel einzulegen. Der Leiter der Behörde hat eine 30-Tages-Frist.

Was passiert, wenn eine Auslieferung gefordert wird? Das ist gar nicht fix. Die Dubaier Behörden könnten darauf verzichten. Dann könnte Adelsmayr auch reisen. Stellen die Behörden doch einen Antrag, dann darf der Arzt nach öster­reichischer Rechtslage nicht ausgeliefert werden. Es gibt aber den Rechtsgrundsatz "Ausliefern oder Ausjudizieren". Da nur Letzteres in­frage käme, könnte der Fall vielleicht in Österreich ausjudiziert werden, also hier vor Gericht landen. Ob es so weit kommen kann, konnte am Sonntag niemand sagen.

Wie hat man im Außen­ministerium den Schuldspruch aufgenommen? "Das Urteil ist für uns nicht nachvollziehbar", erklärt Behördensprecher Martin Weiss. Im Ministe­rium kennt man den Fall, man hatte mehrmals Vermittlungsmissionen nach Dubai entsandt. Die Rechtshilfe-Chefin des Ministe­riums sprach mehrmals vor. Bis das Urteil rechtskräftig ist, werden österreichische Diplomaten nochmals die eigene Sicht vorbringen.

Wirkt sich so ein Fall auf die diplomatischen Be­ziehungen aus? Nein. Damit würde niemand drohen. In die Gerichtsbarkeit anderer Staaten mischt sich die hohe Diplomatie in so einem Fall nicht ein. Offiziell wird das Urteil vom öster­reichischen Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Peter Elsner, nur sehr vage kommentiert. "Eine Beurteilung kann ich mir nicht erlauben. Wir sind schon enttäuscht."

Was sagen Menschenrechtsorganisationen zum Fall Adelsmayr? Deren Hauptaugenmerk liegt auf systemischen Verfehlungen. Mit einzelnen Prozessen beschäftigt sich etwa Amnesty Inter­national nicht. Deren Chef in Österreich, Heinz Patzelt, sagt unmissverständlich: "Solche Absurditäten brauche ich gar nicht zu kommentieren."

Welche Konsequenzen ergeben sich für die bis zu 2500 Österreicher in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Keine unmittelbaren. Jeder Österreicher trage natürlich Selbstverantwortung und müsse die lokale Rechtslage und deren Praxis berücksichtigen, erklärt eine Diplomatin. Ärzte bewegen sich aufgrund ihrer sensiblen Tätigkeit auf besonders heiklem Terrain.

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