Deutschland: Aufregung über Meldegesetz
Von Marcel Ludwig
Es ist der Abend des EM-Halbfinales, Deutschland trifft auf Italien. Der Bundestag ist ob der späten Stunde, sowie des sportlichen Gassenfegers nur spärlich besetzt. Offenbar der perfekte Zeitpunkt für ein neues Meldegesetz. Nach nur 57 Sekunden ist die Abstimmung (zwei kurze Beratungen inklusive) zum "Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens", so der exakte Name des Streitthemas, beendet.
Wichtigste Neuerung des Gesetzes: Einwohnermeldeämter dürfen sämtliche Personendaten an Werbetreibende und Adresshändler weitergeben. Nachdem bereits ein Aufschrei durch Opposition und Datenschützer erfolgt war, distanziert sich mit CDU-Ministerin Ilse Aigner nun auch das erste Mitglied der deutschen Regierung: "Nach dem Beschluss des Bundestags sehe ich hier noch Diskussionsbedarf."
"Gesetzlichen Wahnsinn", konstatierte dagegen Thilo Weichert, der Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein.
Von Hol- und Bring-Schuld
Als Knackpunkt erweisen sich dabei die Bedingungen, unter denen die Ämter Personendaten freigeben dürfen. So war etwa im ursprünglichen Entwurf eine Einwilligungslösung vorgesehen, was bedeutet hätte, dass Daten nur dann herausgegeben werden dürfen, wenn der Bürger dem ausdrücklich zustimmt. "Diese Einwilligungslösung halte ich nach wie vor für den besseren Weg", bestätigte auch Verbraucherschutzministerin Aigner gegenüber der Berliner Zeitung.
Beschlossen wurde jedoch genau das Gegenteil. Denn, die nun verwendete Widerspruchslösung sieht vor, dass Daten nur dann nicht herausgegeben werden dürfen, wenn dem zuvor ausdrücklich widersprochen worden ist.
Einen möglichen Widerspruch erwidert der Passus: "Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden." Sprich, sind Bürgerdaten bereits in einer "externen" Datenbank enthalten, kann der Bürger sich überhaupt nicht gegen die Herausgabe seiner Daten zur Wehr setzen.
Indes gab es sogar von Regierungssprecher Steffen Seibert Rüffel für das Votum des Bundestages: "Die Bundesregierung hat mit guten Gründen den Gesetzentwurf so vorgelegt, wie sie ihn vorgelegt hat", sagte er in Berlin. Die Regierung setzt nun darauf, dass der Bundesrat (Länderkammer) den Gesetzentwurf stoppt.
Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer tönte in dasselbe Horn: "Wenn das stimmt, was ich bisher weiß, dann wird Bayern dem nicht zustimmen."
Nichts Neues
Dabei ist die Herausgabe von Personendaten per se keine Neuerung. Auch im aktuell gültigen Gesetz ist es Unternehmen möglich, Personendaten beim Amt zu erfragen. Die Ämter sind bislang jedoch verpflichtet, jeden Bürger bei der Anmeldung dezidiert auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen.
"Gegessen" ist Causa jedenfalls noch nicht. Im Herbst will der Bundesrat über den Gesetzesentwurf beraten - die Opposition hat bereits angekündigt die Vorlage mit ihren Stimmen zu Fall zu bringen.