Der Absturz des Kranichs: Putin als Witzfigur
Von Evelyn Peternel
Selten passiert es, dass der Kreml sich dazu herablässt, seinen Kritikern direkt zu antworten – im Falle des Kranich-Fluges, den Präsident Putin kürzlich unter weltweiter medialer Beobachtung absolviert hat, musste die Presseabteilung allerdings tätig werden: Der Spott, der auf die PR-Aktion folgte, war nicht mehr zu überhören.
Für Belustigung sorgte vor allem die Tatsache, dass das Experiment nicht von Anfang an funktioniert hat (siehe Galerie unten): Eigentlich hätte ein ganzer Schwarm hinter dem Präsidenten, der einen Leichtflieger lenkte und so die Tiere auf ihre Route zum Winterquartier führen sollte, fliegen sollen – getan haben dies zu Beginn aber nur zwei Tiere. Auch später waren es nicht wesentlich mehr; die Aktion wurde dennoch "erfolgreich" genannt.
Wasser auf den Mühlen von Putins Kritikern: Dies sei doch zunehmend auch in der russischen Bevölkerung so, wurde da gespottet. Putin, im Regelfall martialischer Sprache nicht abgeneigt, musste daraufhin mit einer Erklärung ausrücken: "Nur die schwachen Tiere blieben sitzen", sagte er – und: "Selbst wenn sie nicht Mitglieder des Schwarms sind, so sind sie doch Teile unserer Population und benötigen unsere Fürsorge."
"Putin führt Lachse zum Laichen"
Das wird nicht mehr viel helfen. Denn das Runet, wie Russlands Internet genannt wird, ist voller Parodien (siehe Bildergalerie oben). Und dabei wurden nicht nur die letzte Aktion, sondern vor allem auch jene davor aufs die Schippe genommen: Putin, surfend auf einem Wal; Putin, fliegend auf einem Adler-ähnlichen Vogel; Putin, schwimmend – mit dem Untertitel: "Putin führt Lachse zum Laichen."
Der politische Witz hat in Russland Tradition: Während des Sowjet-Regimes war der Spott über die Obrigkeit – leise vorgetragen – eines der wenigen Ventile, um die Unterdrückung und Starrheit des Systems zu ertragen. Dieser Zugang hat sich bis heute gehalten, allerdings abseits der klassischen Karikatur. Heute ist es das Internet-Meme, das sich, zumindest weitgehend, ohne böse Folgen leicht übers Netz verbreiten lässt.
Das geziemt sich auch für die Opposition: Alexej Nawalny, Blogger, Internet-Star und Aushängeschild der russischen Putin-Kritiker, twittert die Putin-Parodien ungeniert. Seine Bemerkung dazu: "So wie über Stalin gesagt wurde, in der Nacht brenne immer Licht in seinem Fenster, wird man über Putin sagen: `Er ist mit einem Schwarm Kranichen über unser Haus gefolgen.`"
Viktor Schenderowitsch, vom Kreml geschasster Satiriker, schrieb auf seine Facebook-Wall: "Ein paar Journalisten haben mich angerufen, um nach einem Kommentar zu der Aktion zu fragen. Aber immer wenn wir dann zum Thema gekommen sind, das ich kommentieren sollte, bekamen sie einen Lachanfall. Das ist eigentlich mein einziger Kommentar." Und KermlinRussia, die Twitter-Parodie des echten Kremls, hat es für ihre Followern folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "Die Kreml-Pressestelle wusste nicht, wie sie den russischen Bürgern sonst mitteilen konnte, dass der Präsident endgültig komplett durchgedreht ist."