Politik

Brandstifter Silvio und Biedermann Mario

Ein Lebemann kann es einfach nicht lassen

Die Partys gehen weiter" – "Euro-Austritt wäre nicht schlimm" – "Cavaliere zahlt für mehr als 42 Frauen" – das sind nur ein paar Schlagzeilen, mit denen Ex-Premier Silvio Berlusconi zuletzt wieder aufhorchen ließ.

Nach seinem erzwungenen Rücktritt im vergangenen November war es still geworden um den Medientycoon. Nun drängt der 75-Jährige zurück auf die politische Bühne und kündigt sich als "Führer der Moderaten" an.

Nach der Übergangsphase von Premier Mario Monti wünscht er sich ein "erneuertes Rechtsbündnis" zurück an die Regierung. Monatelang hat sich Berlusconi mit Kritik an seinem Nachfolger Monti zurückgehalten. Gegenüber dem Wallstreet Journal ließ er kürzlich die Katze aus dem Sack: "Wenn wir aufhören, diese technische Regierung zu unterstützen, werden wir eine Menge Stimmen zurückgewinnen."Montis Sparkurs mit Steuererhöhungen und Arbeitsmarktreformen, die den Italienern zu schaffen machen, sei "übertrieben".

Alle Inhalte anzeigen

Euro-Austritt Aufhorchen ließ Berlusconi auch mit seinen Ansichten zur Schuldenkrise. Ginge es nach ihm, wäre ein Ausstieg Italiens aus dem Euro-Raum kein Fluch. Vor ein paar Wochen hat er den Austritt Italiens oder eben Deutschlands aus dem Euro-Raum für den Fall gefordert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nicht massiv die Notenpresse anwirft. Ihm kam laut eigener Aussage die "verrückte Idee", dass die Banca d`Italia Euros oder die frühere Währung Lira drucken sollte. "Wir hoffen, Monti übt Druck auf Deutschland aus, damit es seine Position lockert und eine Auflösung Europas verhindert". Berlusconi bezeichnete Angela Merkels Austeritätsprogramme als Fehler.

Partylaune Politische Niederlagen, Prozesse und Scheidungskrieg – all das konnte die Partylaune des mehrfachen Großvaters nicht trüben. In seiner Villa Arcore finden nach wie vor regelmäßig Feste und "elegante Abendessen" statt.

Von den "lustigen" Obama- und Whitney-Houston-Verkleidungen, mit denen sie den Ex-Premier bei den Partys zum Lachen bringt, erzählte vergangene Woche das Showgirl Marystell Polanco im Klatschblatt Oggi. Die junge Frau tritt als Zeugin im Ruby-Prozess auf, bei dem Berlusconi wegen Sex mit einer Minderjährigen und wegen Amtsmissbrauch angeklagt ist. Ihr scheinen Berlusconis Prahlereien untertrieben, wonach er 42 Frauen finanziere. "Ich glaube, er erhält noch viel mehr Frauen. Wer ein Kind hat, bekommt mehr. Das gilt auch für diejenigen, die wegen des Skandals nicht mehr im Fernsehen arbeiten können", sagte Polanco.

Bei Berlusconis TV-Imperium Mediaset führt längst Sohn Piersilvio das Regiment. Da ihm die Skandale seines Vaters peinlich ist, engagiert der 43-Jährige die darin involvierten Mädchen nicht mehr als Ansagerinnen oder Showgirls.

Ein trockener Professor versucht sich als Retter

Alle Inhalte anzeigen

Mario Monti war von Beginn an nicht zu beneiden. Der Mailänder Wirtschaftsprofessor muss nicht nur die Scherben der desaströsen Berlusconi-Ära aufräumen, sondern kämpft an zahlreichen Fronten: gegen fortschreitende Rezession, Bürokratie und Stagnation. Die alten Parteien drohen, den "Stecker rauszuziehen" und die Technokraten-Regierung zu Fall zu bringen. Und zunehmend bröckelt der Rückhalt in der Bevölkerung. Die Popularität des 68-jährigen sank seit Amtsantritt vor sieben Monaten von 71 Prozent auf 34 Prozent. Der Frust über den Sparkurs ist groß. Rund 28 Millionen Italiener leben am Minimum. Der sonnige Alltag ist vom Kampf gegen Arbeitslosigkeit, hohen Mieten und Kreditraten, Stagnation sowie steigenden Preisen überschattet.

Montis Regierung hat bisher eine große Renten- und Arbeitsmarktreform verabschiedet, die Mineralölsteuer erhöht und eine Immobiliensteuer eingeführt. "An Arbeitsplätze denkt keiner, es heißt, man soll eine Arbeit erfinden, und wenn man sich dann selbstständig macht, wird jede Aktivität mit hohen Steuern und Bürokratie erstickt", klagt die 40-jährige Römerin Angela C., die ihr Ferienwohnungsunternehmen schließen musste.

Ökonomen kann der Reformkurs für Wirtschaftswachstum hingegen nicht schnell genug gehen. "Monti hat in Wahrheit sehr wenig gemacht, er konnte sich etwa bei Liberalisierungen überhaupt nicht durchsetzen", kritisiert Giuliano Noci, Vizedirektor der Business School MIP in Mailand.

Einzelgänger Monti gilt als Einzelgänger. Bei Sitzungen herrsche oft Uni-Atmosphäre: Der "Professore" doziert und die anderen hören zu, wird berichtet. Mit Monti ist schlichte Nüchternheit im römischen Regierungssitz eingekehrt. An die Stelle von Bunga-Bunga-Partys ist der sonntägliche Messbesuch gerückt. Montis Kabinett pflegt engste Bande zum Vatikan. Seit seiner zehnjährigen Tätigkeit als EU-Wettbewerbskommissar in Brüssel genießt Monti international einen sehr guten Ruf.

Hart in der Sache, freundlich im Auftreten, so sein Credo. Dies kam auch beim Vierergipfel am Freitag in Rom zum Tragen, als Monti die Staats- und Regierungschefs Merkel, Hollande und Rajoy empfing. Trotz Differenzen einigten sie sich auf ein 130-Mrd.-Euro-Paket für Wachstum und Beschäftigung.

Den Sparstift setzt Monti auch bei sich an. Er verzichtete auf sein Gehalt. Und erstaunt war man auch, als der Norditaliener mit seinem Rollkoffer am Montagmorgen mit dem Zug aus Mailand in Rom eintraf. Ein feiner Kontrast zu den Wochenendtrips des Cavaliere im Privatjet. Statt vulgärer Witze stehen intellektueller Diskurs und Zurückhaltung an der Tagesordnung. Bei soviel Seriosität ist es schon eine Sensation, wenn Signora Monti in einem Interview gesteht, dass sie die Krawatten für Mario aussucht und lieber ein fertiges Grillhendl kauft, als selbst zu kochen.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund