Politik/Ausland

Showdown für Bradley Manning

Unter den Friedensnobelpreisträgern, die sich für Bradley Manning stark machen, fehlt vor allem ein Name: Barack Obama. Desmond Tutu, Mairead Maguire und Adolfo Perez Esquivel sind die lautesten Preisträger, die sich für einen Freispruch jenes Mannes einsetzen, der zur Ikone des Internet-Aufdeckertums und zugleich zum Albtraum der US-Armee geworden war. Am Donnerstagabend standen in dem Militärverfahren gegen Manning die Schlussplädoyers an. Ein Urteil wird für die kommenden Tage erwartet. Und alles andere als eine Verurteilung wäre eine Sensation. Die Anklage hat für Manning zwar nicht die Todesstrafe aber doch lebenslange Haft plus 154 Jahre gefordert.

Geht es doch um einen Fall, der Schule gemacht hat. Auf Manning folgte später Edward Snowden. Manning hatte als Geheimdienst­analyst der US-Armee im Irak Tausende klassifizierte Dokumente abgezweigt und an Wikileaks übergeben. Dort wurden sie veröffentlicht. Dokumente etwa, die belegen, wie die US-Armee im Irak oder Afghanistan Unbeteiligte tötete. Geheime Depeschen amerikanischer Spitzenmilitärs über den Zustand der Mission in Afghanistan. Eine ganze Chronik der Missstände in Armee und diplomatischem Corps. Ein gefundenes Fressen für Gegner der USA ebenso wie für Journalisten, die weltweit Monatelang immer neue Details und Zusammenhänge aus den Enthüllungen veröffentlichten.

„Was würdest du tun?“

Der schmächtige 25-Jährige selbst hatte seine Tat derart begründet: „Wenn du freien Zugang zu Geheimdokumenten hast und du unglaubliche, schreckliche Dinge siehst ..., Dinge, die an die Öffentlichkeit gehören ... Was würdest du tun?“ Er wolle, dass die Menschen die Wahrheit sehen, so Manning, der während seines Verfahrens immer in korrektester Galauniform auftrat.

Die Weitergabe von Dokumenten hat Manning gestanden. Detailliertere Aussagen machte er anscheinend aber nicht. Zugleich betonte er seine Unschuld. Dem Verfahren gegen ihn soll er weitgehend schweigend zugehört haben. Die Anklage warf ihm „Unterstützung des Feindes“ vor – worauf an sich die Todesstrafe steht, die von der Anklage aber nicht gefordert wird. Ein Grund dafür könnte die amerikanisch-britische Doppelstaatsbürgerschaft Mannings sein.

Manning sei entsprechend ausgebildet worden und hätte absehen müssen, dass seine Enthüllungen auch in die Hände von Terroristen gelangen, so die Anklage. Tatsächlich wurden auf einem bei Osama bin Laden gefundenen Rechner von Manning an Wikileaks weitergegebene Dokumente entdeckt. Die Verteidiger hatten argumentiert, Manning habe hehre Ziele gehabt und versuchen wollen, eine Debatte zu entfachen. Das ist ihm gelungen.

Der Preis dafür war hoch. Manning sprach immer wieder davon, in Haft misshandelt worden zu sein. Auch von Folter war die Rede. Jener Mann, dem er die Dokumente zugespielt hatte, Julian Assange, sitzt in der Botschaft Ecuadors in London fest und versucht sich über eine Kandidatur bei den Parlamentswahlen in Australien Immunität zu verschaffen. Für ihn, ebenso wie für den in Moskau gestrandeten Snowden, hat das Urteil gegen Manning Signalwirkung. Zwar ist Manning Militär und steht daher vor einem Militärtribunal, aber im Raum steht derselbe Vorwurf: Geheimnisverrat. Und wie die Enthüllungen Snowdens und Mannings gezeigt haben, können die USA genau eines nicht brauchen: Geheimnisverräter.

Ein erster politischer Vorstoß, die Befugnisse des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) einzugrenzen, ist gescheitert. Ein gemeinsamer Antrag von republikanischen und demokratischen Mandataren scheiterte im US-Repräsentantenhaus. Dem Vorhaben, den Geheimdienst etwa zu verpflichten, nur auf Grundlage von Gerichtsbeschlüssen das Abhören von Telefongesprächen zu erlauben, war von Anbeginn an keine reale Chance eingeräumt worden. Die Debatte geht jedoch weiter.

Weiter geht auch der Streit um den Verbleib jenes Mannes, der die ganze Spitzel-Affäre um die NSA ins Rollen gebracht hatte: Edward Snowden. Die russische Regierung machte einmal mehr klar, dass man Snowden nicht ausliefern werde. „Eine Auslieferung ist unmöglich“, so der Chef des Menschenrechtsrates des Kreml, Michail Fedotow. Er betonte auch, dass es zwischen Russland und den USA kein Auslieferungsabkommen gebe und, dass in den USA die Todesstrafe vollzogen werde.