Politik/Ausland

WHO-Chef ist stolz darauf, "schwarz zu sein"

Er ist das Gesicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und steht damit in der Coronakrise unter Beschuss: Tedros Adhanom Ghebreyesus hat sich besonders von US-Präsident Donald Trump schon viel Kritik an seinem Umgang mit der Pandemie anhören müssen. Am Donnerstag stattet der WHO-Chef dem EU-Parlament in Brüssel einen Besuch ab und kann dort mit mehr Wohlwollen und Unterstützung rechnen.

Tedros wurde 2017 als erster Afrikaner auf den WHO-Chefposten gewählt. Der Immunologe ist Malaria-Experte und hat in öffentlicher Gesundheitsvorsorge promoviert. Politische Erfahrung sammelte er in seinem Heimatland Äthiopien als Gesundheitsminister und Außenminister.

Anders als seine kühle Vorgängerin auf dem WHO-Chefposten, die Chinesin Margaret Chan, pflegt Tedros eine lockeren, herzlichen Umgangston. Nicht wenige Staats- und Regierungschefs spricht der 55-Jährige mit "Bruder" oder "Schwester" an.

Angesichts der massiven Kritik, der er sich in Coronakrise ausgesetzt sieht, hat Tedros aber auch schon schärfere Töne angeschlagen. So kritisierte der Äthiopier eine "Politisierung" der Gesundheitskrise und stellte angesichts rassistischer Anfeindungen klar, er sei "stolz, schwarz oder 'ein Neger' zu sein". "Man wirft ihm eine Menge Dinge vor, die außerhalb seiner Kontrolle liegen", sagt eine Akademikerin, die jahrelang mit Tedros an verschiedenen Gesundheitsprojekten gearbeitet hat, der Nachrichtenagentur AFP.

Trump hat der WHO und ihrem Chef wiederholt vorgeworfen, zu China-freundlich zu sein. Damit habe Tedros zur weltweiten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus von China aus beigetragen. Dass der US-Präsident zunächst die Zahlungen an die WHO einfror und Ende Mai schließlich den Austritt der Vereinigten Staaten aus der UNO-Unterorganisation verkündete, brachte ihm auch von der EU Kritik und Unverständnis ein.

Tedros' Besuch in Brüssel werden viele EU-Abgeordneten voraussichtlich dafür nutzen, die Bedeutung der Zusammenarbeit von WHO und Regierungen in aller Welt im Kampf gegen die Corona-Pandemie hervorzuheben. Auf solche Unterstützung verweist Tedros im Streit um seine Rolle in der Corona-Pandemie immer wieder. Im Kurzbotschaftendienst Twitter leitet er Unterstützungsbotschaften von Politikern wie etwa zahlreichen afrikanischen Staatschefs sowie von Wissenschaftern oder auch unbekannten Nutzern weiter. "Doktor Tedros hat bewiesen, dass er ein starker und kompetenter Führer und ein erfahrener Diplomat ist", sagt die Ko-Direktorin des Zentrums für globale Gesundheit am Institut für internationale Studien und Entwicklung in Genf, Suerie Moon.

Kontroversen über den Äthiopier gab es wiederholt. Vor seiner Wahl zum WHO-Chef warf ein Berater seines britischen Gegenkandidaten David Nabarro Tedros vor, als äthiopischer Gesundheitsminister drei Cholera-Epidemien in seinem Land vertuscht zu haben. Nach offiziellen Angaben erkrankten die Menschen bei den Epidemien in den Jahren 2006, 2009 und 2011 aber schlicht an heftigem wässrigen Durchfall.

Einen regelrechten Skandal löste Tedros' Idee wenige Monate nach seiner Wahl zum WHO-Chef aus, Simbabwes damaligen autoritären Staatschef Robert Mugabe zum WHO-Botschafter des guten Willens in Afrika zu ernennen. Mugabe wurde schließlich zum Verzicht auf das Ehrenamt bewegt.

In der Folgezeit konnte Tedros sein Image aber deutlich verbessern. Nachdem die WHO wegen ihrer zu späten, zu schwachen Reaktion auf die Ebola-Epidemie in Westafrika in den Jahren 2013 bis 2016 stark kritisiert worden war, setzte der neue WHO-Chef Reformen um. So ließ er ein weltweites Netzwerk aus Ärzten und Pflegekräften errichten, die in Notfällen schnell überall eingesetzt werden. "Armee der Gesundheitsreserven" nennt Tedros dieses. Außerdem verbesserte sich unter seiner Ägide die Gesundheitsversorgung in den armen Ländern am Horn von Afrika deutlich. Tausende Kliniken und Gesundheitszentren wurden dort errichtet.

In der Coronakrise betätigt sich Tedros immer wieder als Mahner, Vorsichtsmaßnahmen wie Abstandsregeln und andere Einschränkungen nicht vorschnell aufzugeben. Ob er genug zur Eindämmung der Pandemie getan hat, wird sich aber wohl erst in der Rückschau sagen lassen.