Politik/Ausland

Weiterhin aufgeheizte Stimmung auf griechischer Insel Kos

Die Lage auf der griechischen Insel Kos eskaliert auch nach der Bereitstellung einer Autofähre als neues Aufnahmelager für Flüchtlinge weiter. Am Samstag gab es Zusammenstöße zwischen Menschen aus Afghanistan, Pakistan und dem Iran.

Die Stimmung heizte sich vor einer Polizeistation auf, vor der Hunderte Menschen darauf warteten, registrieren zu werden und mit diesen Papieren die Weiterreise nach Norden anzutreten. Die Flüchtlinge prügelten aufeinander ein und bewarfen sich mit Steinen. Die Polizeiwache war wegen eines Feiertages geschlossen, Polizisten sahen dem Geschehen tatenlos zu. Erst als eine Gruppe von Iranern versuchte, den Polizeikordon um das Gebäude zu durchbrechen, trieben die Polizisten die Angreifer mit Schlagstöcken auseinander.

"Es sind so viele Menschen!"

Das Schiff, das seit Freitag vor Kos ankert, hatte am Samstagnachmittag noch keine Flüchtlinge aufgenommen. Vertreter der Inselverwaltung, Polizisten und Grenzschützer diskutierten das weitere Vorgehen. Die "Eleftherios Venizelos" soll vor allem Syrer aufnehmen. Ziel sei es, die Menschen sicher an Bord zu bringen, sagte ein Grenzschützer. "Es sind so viele Menschen." Insgesamt finden 2.500 Menschen Platz auf der Fähre. Ungefähr 300 Syrer versammelten sich am Morgen am Hafen, zogen sich jedoch in den Schatten zurück, als deutlich wurde, dass sie noch länger warten müssen.

Die Regierung in Athen hat das Schiff gechartert, um die Lage auf der Ferieninsel zu verbessern, die nahe an der türkischen Küste liegt und deswegen Anlaufpunkt für besonders viele Flüchtlinge ist. Mehrere tausend Flüchtlinge halten sich derzeit auf der Insel auf, viele von ihnen müssen unter freiem Himmel schlafen. Auch am Samstag kamen wieder mehrere Schlauchboote mit Hunderten Menschen an Bord aus der Türkei an. Das hoch verschuldete Griechenland muss eine immer größere Zahl von Flüchtlingen verkraften. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind allein auf griechischen Inseln in diesem Jahr schon etwa 124.000 Menschen gelandet.

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Ärzte ohne Grenzen hat sich besorgt über Berichte von auf der griechischen Insel Kos eintreffenden Flüchtlingen geäußert, wonach sie auf dem Meer von maskierten und bewaffneten Männern angegriffen und teils auch ausgeraubt wurden. "Wir haben genügend ähnlich lautender Geschichten gehört, um in Sorge zu sein", sagte die Vertreterin der Hilfsorganisation auf Kos, Constance Theisen, am Samstag.

Nach ihren Angaben berichten Flüchtlinge ihrer Organisation seit Juli von den Angriffen. Einige machten demnach die griechische Küstenwache verantwortlich - dies wurde jedoch vom Chef der griechischen Einwanderungspolizei, Zacharoula Tsirigoti, energisch zurückgewiesen.

Der Flüchtling Ahmad Yusef berichtete auf Kos, wie sein Boot bei einem vorherigen gescheiterten Versuch, nach Griechenland zu kommen, attackiert worden sei: "Große, mit Gewehren, Stöcken und Messer bewaffnete maskierte Männer näherten sich unserem Schlauchboot, durchlöcherten es und warfen unseren Motor ins Wasser", erzählte der 40-Jährige AFP.

"Wir wollten Euch nur vergraulen"

Sein Schicksalsgenosse Walaa berichtet, seine Holzjacht sei Anfang August auf dem Weg nach Kos wenige Kilometer hinter der türkischen Küste von einem griechischen Schiff angegriffen worden: "Sie fuhren direkt in unser Schiff hinein, es zerbrach in zwei Teile. Der Treibstofftank explodierte, wir flogen alle ins Wasser. Unter uns waren auch Frauen und Kinder." Daraufhin hätten die "Griechen" sie aus dem Wasser gezogen, an Land gebracht und sich entschuldigt: "Wir wollten Euch nur vergraulen".

Der 21-jährige Syrer Ibrahim Najjar erzählte von einem bewaffneten Raubüberfall auf sein Boot, als er vor zwei Wochen schon einmal versuchte, nach Griechenland zu kommen. Die Männer hätten das Schiff in der Nähe der Insel Lesbos geentert, den Treibstoff an sich genommen und seien dann wieder mit ihrem griechisch und europäisch beflaggten Schiff davongefahren.

Als Küstenwache-Beamte verkleidet

Die griechische Küstenwache hatte Anfang August die Festnahme von drei Männern gemeldet, die Flüchtlinge auf dem Meer ausgeraubt haben sollen. Die drei Griechen im Alter zwischen 21 und 31 Jahren waren demnach als Beamte der griechischen Küstenwache verkleidet.

Laut Ärzte ohne Grenzen beschuldigten Flüchtlinge in ihren Berichten immer wieder Vertreter der griechischen oder der türkischen Küstenwache, hinter den Angriffen zu stehen. Selbst bestätigen konnte die Organisation die Übergriffe nicht. Auch die Sprecherin der UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR), Stella Nanou, sagte AFP, sie habe von den Vorwürfen gehört, könne sie aber ebenfalls weder bestätigen noch dementieren. "Wir versuchen nun selbst, die Lage zu beobachten", sagte Nanou. Ärzte ohne Grenzen informierte nach eigenen Angaben die griechische Küstenwache, das Innenministerium sowie die EU-Grenzschutzmission Frontex über die Vorwürfe.