Vom "Denkverbot" bis zur "Missionierung"
Von Evelyn Peternel
"Gehört Weihnachten für Frau Merkel zu Deutschland?" Die Frage eines Journalisten bei der Bundespressekonferenz hätte boshafter nicht sein können: Dass in einer deutschen Schule in Istanbul kurzfristig Weihnachtsbräuche vom Lehrplan gestrichen wurden, sorgte zwar in allen deutschen Parteien für Irritationen – nur bei der Bundesregierung nicht. Man habe bereits alles getan, um das Missverständnis auszuräumen, hieß es am Montag lapidar aus dem Kanzleramt – überhaupt sei der Fall singulär und stehe nicht in Zusammenhang mit dem EU-Türkei-Abkommen oder der Türkei-Politik der Regierung.
So ganz stimmt das freilich nicht. Der Streit um Weihnachten, den CDU-Vize Julia Klöckner als "Denkverbot" bezeichnete und den Grünen-Chef Cem Özdemir "nicht akzeptabel" nannte, ist nur die letzte Spitze, die die Berliner Regierung aus Ankara zu spüren bekommt. Seit der Affäre Böhmermann und der Armenien-Resolution des Bundestages ist die Beziehung angeknackst. Das hat selbst die Istanbuler Schule, an der 35 von Deutschland finanzierte Lehrer unterrichten, schon länger gespürt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Der deutsche Generalkonsul, über den die Kooperation mit der Schule läuft , sei heuer gebeten worden, auf seine traditionelle Ansprache an die Schulabgänger zu verzichten. Der Grund: die Armenien-Resolution.
Dass mit der Beilegung des Streits – Montagmittag wurde verkündet, dass "kein Verbot" mehr vorliege –, auch die grundlegenden Differenzen ausgeräumt sind, ist aber eher unwahrscheinlich. Kurz danach gossen türkische AKP-Abgeordnete nämlich neues Öl ins Feuer. Mustafa Sentop etwa unterstellte den deutschen Lehrern "Missionierung"; sein Kollege Mustafa Yeneroglu fragte sich, wie empört denn die Deutschen wären, wenn in Bayern ein aus der Türkei entsandter Lehrer christlichen Schülern Ramadan-Lieder beibringen würde.