Warnung aus Ankara vor Genozid-Votum
Die Türkei hat bei diesem Protest viel Übung. Immer wenn ein Parlament die Tötung und Vertreibung der Armenier durch die Osmanen im Ersten Weltkrieg mit bis zu 1,5 Millionen Toten als Völkermord einstuft, hagelt es bereits im Vorfeld Kritik aus Ankara. So auch vor der heutigen Abstimmung im deutschen Bundestag, die wohl eine klare Mehrheit für die Genozid-Resolution bringen wird. Wenngleich sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch ihr Stellvertreter Sigmar Gabriel und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier es vorziehen, gar nicht anwesend zu sein.
Als "absurd" bezeichnete der türkische Premier Binali Yildirim das Votum und drohte mit einer Verschlechterung der Beziehungen zu Berlin. Der Flüchtlingspakt seines Landes mit der EU werde daran aber nicht scheitern.
Bisher haben mehr als 20 Staaten weltweit die schrecklichen Ereignisse ab 1915 als Völkermord kategorisiert, darunter Frankreich, Italien und neben dem EU-Parlament 1987 auch der Vatikan im Jahr 2000.
Kritik an Österreich
In Österreich haben sich im Vorjahr, 100 Jahre nach Beginn der dunklen Epoche, alle Parlamentsparteien auf eine gemeinsame Erklärung verständigt, die ebenfalls das Wort Völkermord beinhaltet. Die Reaktionen aus der Türkei, dem Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, waren überaus heftig. Höchste türkische Politiker und fast alle Medien prügelten Wien für diese Vorgangsweise. Sogar der Botschafter wurde vorübergehend zu Beratungen nach Ankara beordert – eine starke diplomatische Protestnote.
Zu dem 100-Jahr-Gedenken reiste Österreichs Staatspräsident Heinz Fischer im Vorjahr aber nicht in die armenische Hauptstadt Eriwan – obwohl er ausdrücklich eingeladen war. Aus "Termingründen" ließ sich das Staatsoberhaupt entschuldigen. Die Alpenrepublik war durch den für Armenien zuständigen Botschafter Alois Kraut, der mangels einer Botschaft vor Ort in Wien ansässig ist.