Wahlkampf: abschreiben, kaufen, vortäuschen
Der italienische Wahlkampf schlägt seltsame Kapriolen. Die Parteien übertreffen sich mit realitätsfernen Versprechen. Berlusconis Forza Italia kündigt an, die Mindestpension zu verdoppeln, während Matteo Salvinis rassistische Lega in einer einzigen Nacht alle illegalen Migranten abschieben will. Für die Einführung eines Mindestlohns plädiert die Demokratische Partei, während die Fünf Sterne gleich ein Grundeinkommen für alle versprechen. Doch gerade die Fünf Sterne sind zuletzt wieder einmal heftig ins Fettnäpfchen getreten. Laut Vorwürfen auf ilpost.it wurde ihr Wahlprogramm in großen Teilen abgeschrieben.
Der Kampf gegen etablierte Parteien, gegen die "Politkaste", war immer das Aushängeschild der populistischen Bewegung. Ausgerechnet beim "Feind", der Demokratischen Partei von Matteo Renzi, abzukupfern, ist Wasser auf den Mühlen jener, die auf die unprofessionelle Chaostruppe herabblicken.
Doch man bediente sich nicht nur bei der Konkurrenz, sondern auch bei Wikipedia, bei Dossiers der Abgeordnetenkammer sowie bei der Umweltorganisation Legambiente – von ihr sind zwei Seiten ins Programm kopiert worden. Die Fünf Sterne weisen alle Vorwürfe zurück: Nur Analphabeten würden im Wahlprogramm ein Plagiat erkennen, sagt ein Sprecher.
Erst kürzlich hatte der 31-jährige Spitzenkandidat der Bewegung, Luigi Di Maio, stolz das Wahlprogramm präsentiert – mit dem Untertitel "geschrieben von Italienern". Es sei, im Gegensatz zu den Programmen der anderen Parteien, in basisdemokratischer Abstimmung über eine Online-Plattform von Aktivisten mitbestimmt worden. Laut Umfragen sind die Fünf Sterne derzeit die stärkste Einzelpartei bei den Parlamentswahlen am 4. März.
Nur das Geld zählt
Einen anderen Zugang zum Glück hat Silvio Berlusconi: Mit Geld ist alles möglich. Das Vermögen 81-jährigen Ex-Premiers wird laut Forbes auf mehr als sieben Milliarden Euro geschätzt. Ohne Skrupel kauft sich Berlusconi auch im Wahlkampf, was er gerade braucht. In der Vergangenheit bestach er Zeugen bei Prozessen oder bezahlte Parlamentarier, um eine Regierung zu stürzen.
Nun möchte er die schwerfällig-bürokratischen Baugenehmigungen in Italien vereinfachen. Aufgrund der langen Wartezeit auf Genehmigungen sei es, so Berlusconi, nicht verwunderlich, wenn man illegal baue. Er versprach im Falle eines Wahlsieges einen Erlass, der illegale Bauten im Nachhinein legalisiert. "Berlusconi kauft sich damit rechte Wählerstimmen, nach dem Motto ‚wählt mich und ich erfülle euch alle Wünsche‘", kritisiert Aktivist Massimo Marnetto.
Er ärgert sich über das Schweigen der Linksparteien, die "stumm zusehen": "Sie müssten als Gegenplan einen Ausbau des sozialen Wohnbaus für einkommensschwache Familien vorlegen."