Politik/Ausland

Vorschusslorbeeren aus Moskau

"Gut Glück, gute Nerven und Erfolg im gemeinsamen Geist" – Worte einer Übergabe, die eine schwierige Aufgabe erwarten lassen. Es waren die Worte, die Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Quasi-Übergabe des OSZE-Vorsitzes an Österreich beim Gipfel der Organisation in Hamburg Anfang Dezember wählte. Er sprach auch von "rauem Wind" und davon, dass man die "Vernunft bewahren" müsse . Wohl eine durchaus diplomatisch formulierte Kritik an Sebastian Kurz’ bisheriger Effekt-Politik.

Mit dem heutigen Tag hat Österreich den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auch formell übernommen – einer vielfach wegen ihrer Konsens-Ausrichtung kritisierten Organisation, die ihren Ursprung im beendet geglaubten Ost-West-Konflikt hat. Es waren aber gerade die vergangenen Jahre, die zeigten, dass dieser Konflikt – wenn auch ideologiefrei – weiterbesteht.

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Als Brückenbauer und Vermittler positionierte sich Österreichs Außenminister damals in Hamburg. Als Brückenbauer zwischen Russland und dem Westen. Denn bei den vielen Konfliktfeldern, die in der Zuständigkeit der OSZE liegen, ist es genau dieser Konflikt zwischen Russland, Russland-nahen Staaten und dem Westen, der die Organisation dominiert wie seit ihrer Gründung nicht. Destillat dieses Konflikts: der Krieg in der Ukraine, wo ukrainische Truppen pro-russischen Freischärlern und zuweilen russischen Soldaten gegenüberstehen. Hinzu kommt der Konflikt um die Krim. Wie brisant der ist, brachte ein anonym bleiben wollender OSZE-Diplomat in Hamburg auf den Punkt: "Es wäre schon ein Erfolg, wenn weiter alle an einem Tisch bleiben."

"Rote Linien"

"Das Blockdenken hat wieder Hochkonjunktur", so Kurz, der sich vor allem drei Ziele vorgenommen hat. Neben der Bekämpfung von Radikalisierung sind das vor allem die Wiederherstellung von Vertrauen zwischen den Staaten und die Entschärfung bestehender Konflikte. In Hamburg führte er aus, dass er trotz der von Russland überschrittenen "roten Linien" auf Moskau zugehen wolle. In einem Interview regte er zudem eine schrittweise Deeskalation bei gleichzeitiger Aufhebung der Sanktionen an. Etwas, das streng genommen nicht in den Zuständigkeitsbereich der OSZE fällt, da die OSZE keine Sanktionen verhängt hat.

In Kiew betrachtet man Österreichs OSZE-Vorsitz entsprechend skeptisch. Man hoffe auf einen "aktiven Vorsitz", so der politische Direktor im Außenministerium, Oleksij Makejew. Ganz oben auf der Wunschliste an die OSZE stehen eine vollständige Kontrolle der ukrainisch-russischen Grenze durch die OSZE sowie eine bewaffnete Polizeimission unter OSZE-Mandat in den besetzten Gebieten. Dadurch könnten laut Kiew endlich Wahlen nach ukrainischem Recht in der Ostukraine abgehalten werden, wie sie im Minsker Abkommen (unterzeichnet von Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich und OSZE) zur Beilegung des Konflikts vorgesehen sind. Damit würden die Gebiete politisch wieder in den Staatsverband der Ukraine integriert.

Die beiden Wünsche Kiews sind nicht neu. Und ebenso wenig die Ablehnung Moskaus. Der Kreml hatte sich sowohl gegen die Polizeimission als auch gegen eine umfassende Kontrolle der ukrainisch-russischen Grenze ausgesprochen. Derzeit werden lediglich zwei Grenzposten von der OSZE beobachtet – auf 409 Kilometern Grenze zwischen Russland und den abtrünnigen Gebieten in der Ukraine.

In Moskau blickt man dem österreichischen Vorsitz mit Freude entgegen. Österreich habe die Möglichkeit, eine "viel eigenständigere Rolle in der europäischen Sicherheitspolitik zu spielen", so Konstantin Kossatschjow, Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat. Das vor allem, weil Österreich kein NATO-Mitglied ist. Positiv aufgenommen wurde in Moskau auch der Umstand, dass Kurz in Hamburg gleich zwei Mal mit dem russischen Chefdiplomaten Sergej Lawrow zusammentraf. Kurz dazu: Österreich habe eine "sehr gute Gesprächsbasis auch zu Russland, die man braucht, wenn man etwas bewegen möchte".

Den Umständen entsprechend wird Kurz’ erste Reise in die Ostukraine führen. Die zweite führt dem Vernehmen nach Moskau.

1994 wurde beschlossen, die Staaten-Treffen im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zu institutionalisieren. Seit 1. Jänner 1995 besteht die OSZE als Organisation. Grundsatzdokument ist nach wie vor die „Schlussakte von Helsinki“. Darin verpflichteten sich die Staaten 1975 zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.