Politik/Ausland

Vor Wahl in Afghanistan: Deutsche Fotografin erschossen

Sie wollte die Gräuel von Krieg und Terror in Bildern festhalten, nun wurde sie selbst ermordet: Einen Tag vor der Präsidentenwahl in Afghanistan ist die preisgekrönte deutsche Foto-Reporterin Anja Niedringhaus in der östlichen Unruheprovinz Khost von einem Polizisten erschossen worden.

Die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) bestätigte am Freitag den Tod ihrer langjährigen Mitarbeiterin. Die mit Niedringhaus reisende kanadische AP-Reporterin Kathy Gannon wurde demnach bei dem gezielten Beschuss verwundet.

Gannons Zustand sei stabil, teilte AP weiter mit. Ein anwesender freier Mitarbeiter von AP Television habe berichtet, beide Reporterinnen hätten in ihrem Wagen in einem Wahlkonvoi gesessen und auf die Abfahrt gewartet. Ein Polizist sei auf das Auto zugekommen und habe mit den Worten "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") das Feuer auf die Journalistinnen auf dem Rücksitz eröffnet. Der Kommandant einer Polizeieinheit habe sich dann widerstandslos festnehmen lassen.

Bilder von Anja Niedringhaus

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Pulitzer-Preisträgerin

Niedringhaus (48) und Gannon (60) hatten jahrelange Erfahrung in der Region und anderen Konfliktgebieten. 2005 gewann Niedringhaus gemeinsam mit einem Team von AP-Fotografen den Pulitzer-Preis für ihre Berichterstattung im Irak. Auch Gannon bekam für ihre Arbeit zahlreiche Preise.

Die Taliban - die Angriffe auf die Wahlen angekündigt haben - wiesen jede Verantwortung für den Mord zurück. Auch die deutsche Regierung schaltete sich in den Fall ein. Die deutsche Botschaft in Kabul sei "mit Nachdruck um Aufklärung bemüht", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Die beiden Reporterinnen waren zur Berichterstattung über die afghanische Präsidentenwahl an diesem Samstag nach Khost (Chost) gereist. Der von afghanischer Armee und Polizei gesicherte Konvoi, in dem sie unterwegs waren, lieferte laut AP Wahlzettel an Wahllokale aus. Nach Angaben eines Polizeisprechers handelte es sich bei dem Todesschützen um den Kommandant eines Checkpoints. Das Innenministerium in Kabul teilte mit, der Täter werde verhört.

Präsident Karzai kondolierte

Der afghanische Präsident Hamid Karzai kondolierte der Familie von Niedringhaus. Die Vereinten Nationen verurteilten den "Terrorangriff auf Zivilisten" scharf. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich ebenfalls betroffen. "Mit dem Tod von Anja Niedringhaus hat die Welt eine bedeutende "Augen-Zeugin" verloren", sagte Gauck laut im Voraus verbreitetem Text am Freitagabend bei der 50. Verleihung des Grimme-Preises in Marl. Journalisten in Kriegs- und Krisenregionen berichteten von Not, Elend und Gewalt. "Ohne ihre Arbeit, ihren Mut und ihr Engagement wäre unser Bild von der Welt unvollständig."

Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, erklärte: "Die Nachricht vom Tod der wunderbaren Fotografin Anja Niedringhaus ist erschütternd. Die Bundesregierung trauert mit ihrer Familie."

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sowie die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) reagierten ebenfalls bestürzt. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr forderte für Reporter Schutz von der afghanischen Regierung. DJV-Chef Michael Konken erklärte: "Wer Journalisten tötet, löscht Leben aus und versetzt der Pressefreiheit einen schweren Schlag. Das darf nicht ungesühnt bleiben."

"Tod erfüllt uns mit Entsetzen"

Auch bei der Deutschen Presse-Agentur dpa wurde Anja Niedringhaus als Kollegin geschätzt. "Wir haben sie als überaus engagierte Journalistin erlebt, ihr Tod erfüllt uns mit Entsetzen", hieß es in einer Stellungnahme.

Im vergangenen Monat war ein schwedischer Reporter in der Hauptstadt Kabul auf offener Straße erschossen worden. Kurz danach war unter den Opfern eines Taliban-Angriffs auf das Serena-Hotel in Kabul ein afghanischer Reporter der französischen Nachrichtenagentur AFP, auch ein Großteil seiner Familie wurde getötet. Die Sicherheitslage in Afghanistan vor der Wahl ist extrem angespannt.