Politik/Ausland

EugH-Urteil: Verträgt sich Scharia mit EU-Recht?

Eine "Scheidungsformel", dreimal ausgesprochen, und der Mann ist von seiner Frau geschieden: Im Islamischen Recht, der Scharia, ist das möglich. Doch ist eine solche Scheidung in der EU bindend? Darüber soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden.

Anlass ist der Fall eines Ehepaares mit deutsch-syrischer Doppelstaatsbürgerschaft. Der Ehemann hatte sich 2013 in Syrien scheiden lassen, indem ein Bevollmächtigter dort vor einem geistlichen Gericht dreimal die "Scheidungsformel" ("Talak") aussprach. Die Frau bestätigte den Schritt mit ihrer Unterschrift. Darüber hinaus hielt sie fest, dass sie alle ihr nach religiösen Vorschriften zustehenden Leistungen erhalten habe und sie ihren Ex-Mann von allen Verpflichtungen ihr gegenüber entbinde. Als der Mann die Scheidung in Deutschland gerichtlich anerkennen lassen wollte, wehrte sich die Frau jedoch, das Oberlandesgericht München überwies den Fall an den EuGH.

"Nein" wird erwartet

Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet, es zeichnet sich aber ein "Nein" zur Anerkennung von Scharia-Scheidungen aus. Diese würden nicht in den Anwendungsbereich von EU-Verordnungen zu Ehefragen fallen, schreibt der Generalanwalt des Gerichtshofs, Saugmansgard Oe, in seinen nun veröffentlichten Schlussanträgen – denen in der Regel Folge geleistet wird. Darüber hinaus bestehe Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsangehörigkeit der Eheleute.

Anders als in islamischen Ländern ist die Scharia in Europa nicht Teil der Rechtsprechung. Angewendet wird sie dennoch – etwa in Großbritannien, wo seit den 1980er-Jahren Dutzende durchaus umstrittene "Sharia Councils" und Schiedsgerichte islamische Scheidungen durchführen oder zivilrechtlichen Streit schlichten. Ihre Urteile sind rechtlich nicht bindend, ersetzen also etwa keine Scheidung durch ein britisches Gericht, falls ein Paar auch nach britischem Recht geheiratet hat. Die Councils verdanken ihr Gewicht in der Gemeinde allein dem Umstand, dass sie ihre Beschlüsse mit Koran und Sunna begründen (siehe links). Ähnliche "Gerichte" gibt es laut Guardian auch für Katholiken und orthodoxe Juden. "Ordre public"In deutschen Gerichten kommen mitunter Teile des Islamischen Rechts zur Anwendung, wenn Beteiligte in Ehe- oder Erbrechtsfragen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Dann wird wie auch in Österreich gemäß Internationalem Privatrecht nach dem Recht des Herkunftslandes geurteilt – aber nur, wenn das nicht gegen nationales Recht verstößt ("Ordre public"). Stirbt also etwa ein iranischer Ehepartner, gilt in Streitfällen das iranische Erbrecht. Weigert sich ein prügelnder Ehemann, in die von der Frau verlangte Scheidung einzuwilligen, wird er vor Gericht dagegen keinen Erfolg haben.

Islamisches Recht

Scharia ("Der Weg"): Das Rechtssystem des Islam beurteilt und regelt alle Handlungen der Menschen und teilt sie in fünf Kategorien von vorgeschrieben bis verboten ein. Die Scharia ist in islamischen Ländern Teil oder ausschließliche Grundlage der Rechtssprechung, Quellen sind Koran und Sunna (Worte und Taten des Propheten).