Politik/Ausland

Gülen wirft Erdogan "Autoritarismus" vor

Nach der Ausstellung eines neuen Haftbefehls hat der islamische Prediger Fethullah Gülen die türkische Justiz scharf kritisiert. Es sei „gut dokumentiert“, dass den türkischen Gerichten die „juristische Unabhängigkeit“ fehle, erklärte der in den USA lebende Gülen am Donnerstagabend.

Der Haftbefehl gegen ihn sei ein weiteres Beispiel dafür, dass sich Präsident Recep Tayyip Erdogan immer mehr zum „Autoritarismus und weg von der Demokratie“ bewege.

Die türkische Justiz hatte am Donnerstag einen offiziellen Haftbefehl gegen Gülen ausgestellt. Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu handelt es sich um den ersten Haftbefehl gegen Gülen nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli. Gülen wird darin zur Last gelegt, den Befehl für den Umsturzversuch erteilt zu haben. Er weist diesen Vorwurf entschieden zurück.

Bereits 2014 gab es Haftbefehl

Die türkische Justiz hatte bereits im Dezember 2014 Haftbefehl gegen Gülen erlassen. Damals wurden ihm unter anderem die Leitung einer „bewaffneten terroristischen Organisation“ zur Last gelegt. Nach dem Putschversuch von Mitte Juli forderte die türkische Regierung von den USA mehrfach Gülens Auslieferung und übermittelte den US-Behörden zwei Dokumentensammlungen zu dem Fall.

Einen offiziellen Auslieferungsantrag stellte die Türkei bislang allerdings nicht. Dennoch übte Staatschef Erdogan scharfe Kritik an den USA, weil sie Gülen nicht ausliefert. Washington rief Ankara auf, Beweise vorzulegen, dass der Prediger tatsächlich Drahtzieher des Putschversuchs war, statt lediglich Anschuldigungen vorzubringen.
Gülen erklärte, auch der neue türkische Haftbefehle ändere nichts an seiner Lage und seinem Standpunkt. „Ich habe den Putschversuch wiederholt verurteilt und jede Kenntnis oder Beteiligung bestritten“, bekräftigte er in seiner Stellungnahme.

USA lehnt Auslieferung ab

Die von der Türkei vorgelegten Beweise reichen Vertretern der US-Regierung einem Medienbericht zufolge nicht aus. Sie seien bisher nicht davon überzeugt, dass es in dem Fall Grund zur Auslieferung gebe, berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf Regierungskreise.

Die türkische Regierung hatte vier Dossiers über den Prediger nach Washington geschickt. Zunächst hatte Unklarheit darüber geherrscht, ob darunter ein offizielles Auslieferungsgesuch ist. Vertreter der türkischen Seite sagten der Zeitung nun, man habe noch nicht alle Beweise vorgelegt. In den kommenden Wochen werde man weiteres Material vorlegen.

Die endgültige Entscheidung über eine Auslieferung würde Außenminister John Kerry fällen. Dem Zeitungsbericht zufolge könnten die Verhandlungen über das Thema noch Monate dauern.