Das Ende der Ära Clinton
Von Andreas Schwarz
Am Ende war es einfach zu viel. Dabei hatte sie Geschichte schreiben wollen. Hätte sie die berühmte "gläserne Decke" durchstoßen und als erste Frau auf dem Präsidentensessel im Weißen Haus Platz nehmen können. Was heißt können: müssen! Kraft ihres Namens und ihrer langen Karriere in Washington. Ein halbes Leben lang hatte sie darauf hingearbeitet. Die ehemalige First Lady wollte es der Welt zeigen, vielleicht auch manch’ Schmach tilgen, die ihr als First Lady bereitet wurde.
Beim ersten Anlauf vor acht Jahren war es noch schiefgegangen. Gegen das Charisma des Barack Obama hatte sie im internen Rennen der Demokraten keine Chance. Aber Obama machte sie zu seiner Außenministerin und beförderte ihre Karriere damit noch einmal in Richtung Weißes Haus. Und jetzt, gegen den Rüpel Donald Trump, standen alle Zeichen, alle Umfragen, alle Prognosen auf Sieg, zumindest einem knappen.
Und dann schnappte ihr der neo-politische Protz-Prolo aus New York auf den letzten Metern den Sieg noch weg. Ihr, der zwingenden Siegerin. Und das nicht knapp, sondern trotz Stimmenmehrheit Clintons nach Wahlmännern relativ deutlich.
Das war zu viel für Hillary Clinton.
Wie vom Erdboden verschluckt
Nachdem in der Nacht auf Mittwoch die Entscheidung zugunsten Trumps gefallen und die Wahlparty in New York abgesagt war, tauchte sie ab. Nur Donald Trump erzählte, dass sie ihm am Telefon zum Wahlsieg gratuliert habe. "Ich habe ihr und ihrer Familie gratuliert zu einem sehr, sehr hart geführten Wahlkampf. Sie hat sehr hart gekämpft. Hillary hat sehr lange und sehr hart gearbeitet über einen langen Zeitraum, und wir schulden ihr große Dankbarkeit für ihren Dienst an unserem Land. Ich meine das sehr ernst."
Niederlage "ist schmerzvoll"
Erst am Mittwochvormittag wollte Hillary Clinton in New York dann doch vor ihre Anhänger, auch das zwei Stunden später als in der Früh angekündigt. Aber sie trat gefasst vor ihre Anhänger – Bill Clinton kämpfte mehr um Fassung als sie. "Es ist schmerzvoll – und das wird es auch bleiben", sagte sie, rief aber zugleich ihre Anhänger auf, Donald Trump zu unterstützen: "Wir schulden ihm einen offenen Geist und eine Chance zu führen." Sie hoffe, er werde ein sehr erfolgreicher Präsident. Zugleich mahnte sie aber, dass es mit der demokratischen Plicht des Bürgers, wählen zu gehen, nicht getan sei. Demokratische Werte müssten verteidigt werden.
Einen speziellen Appell richtete die 69-Jährige dann auch an die Jugend: "Bitte gebt nie auf dafür zu kämpfen, wofür es wert ist zu kämpfen" – so wie sie selbst es ihre Leben lang getan habe. Alle Mädchen sollten nie daran zweifeln, dass sie wertvoll, stark und mächtig seien. "Wir haben die höchste und härteste Glasdecke nicht durchbrechen können – aber es wird passieren!", sagte sie unter lautem, anhaltendem Jubel.
Wiederholung statt Aufbruch
Clinton ist an ihrem eigenen Image gescheitert, zu dem sie selbst aber maßgeblich beigetragen hat. Sie galt als Teil des politischen Systems in Washington, gegen das Trump und die Protestwähler angestürmt sind. Anders als ihr Vorgänger vermochte sie nicht Hoffnung oder gar Aufbruchstimmung zu vermitteln, sondern nur Wiederholung. Und im Wahlkampf der Untergriffe, auf den sie sich einließ, fehlte jegliche Perspektive, jegliche Vision, wohin Hillary Clinton mit Amerika wollte.
Die Affäre um die dienstlichen eMails auf ihrem Privatserver, von denen sie 30.000 löschte, mag ihr auch geschadet haben. Sie trug zum alten Bild der nicht ganz ehrlichen Hillary Clinton bei. Mehr noch taten es aber wohl die allzugroße Nähe der Clintons zu Banken und großen Spendern in der Vergangenheit, die fürstlichen Honorare für Auftritte, die Verflechtungen mit dem großwirtschaftlichen Establishment.
Dass Clinton als Person keine Wärme ausstrahlt, mit einstudierten Posen Nähe zum Wähler simulierte (das berühmte Zeigen ins Publikum), als hart, aber niemals herzlich gilt, tat ein Übriges. Und führte dazu, dass sie ständig als das "geringere Übel" im Wahlkampf gegen Donald Trump geführt wurde – und selbst in dieser Minimal-Funktion abgestraft wurde. Das schmerzt.
Höhepunkt findet nicht statt
Mindestens so schmerzhaft ist für sie wohl noch etwas anderes: Mit ihrer Niederlage hat Hillary Clinton wohl auch die politische Ära der Clintons beendet. Der große Bill Clinton, Präsident von 1993 bis 2001, seine Frau Hillary Clinton, Senatorin der Demokraten und Außenministerin und als Höhepunkt Nach-Nachfolgerin ihres Mannes: Damit hätte man die Bushs wohl in die Tasche gesteckt und über lange, lange Zeit Geschichte geschrieben.
Aber Kennedys, Bushs, Clintons – die Zeit der Dynastien in der Politik ist spätestens mit Hillary Clintons Scheitern vorbei.