Politik/Ausland

US-Regierung bespitzelte Journalisten

Es sind schwere Vorwürfe, die die renommierte Nachrichtenagentur Associated Press (AP) gegen die Regierung der Vereinigten Staaten erhebt: Nach Angaben der AP ist die Agentur vom Justizministerium bespitzelt worden. Die Behörde habe sich heimlich die Verbindungsdaten von mehr als 20 Anschlüssen des Medienunternehmens und seiner Journalisten beschafft, teilte AP am Montag mit. Es handele sich dabei um Anruflisten aus einem zweimonatigen Zeitraum von Anfang 2012. Die Agentur sei vor wenigen Tagen von offizieller Seite über den Zugriff informiert worden.

Es könne "keine mögliche Rechtfertigung für eine solche überbordende Sammlung der Telefonkommunikation" geben, schrieb AP-Präsident Gary Pruitt in einem Beschwerdebrief an Justizminister Eric Holder, der im Internet veröffentlicht wurde. Mit den Daten könne die US-Regierung detaillierte Einblicke in die Arbeit der Nachrichtenagentur erhalten, ohne dazu in irgendeiner Weise befugt zu sein. Dazu gehörten Informationen über die vertrauliche Kommunikation mit Quellen. "Wir betrachten diese Handlung des Justizministeriums als ernsthaften Eingriff in APs verfassungsmäßiges Recht, Nachrichten zu sammeln und zu berichten."

Pressefreiheit

"Diese Aufnahmen enthüllen eventuell Gespräche mit vertraulichen Quellen quer durch alle nachrichtenrelevanten Aktivitäten, die von der AP während dieser zweimonatigen Zeitspannen durchgeführt wurden, sie können eine Landkarte der Handlungen der AP bereitstellen und Informationen über die AP aufdecken, für die es kein begreifbares Recht der Regierung gibt, sie zu kennen. Dass die Behörde diesen beispiellosen Schritt unternahm, ohne die AP davon in Kenntnis zu setzen, (...) ist besonders beunruhigend", so Pruitt. Der AP-Präsident fordert das Justizministerium auf, die Daten an die Agentur zurückzugeben und alle Kopien zu zerstören. Außerdem verlangte Pruitt eine "sofortige Erklärung".

Das Justizministerium reagierte zunächst nicht auf die Bitte um eine Stellungnahme. Der TV-Sender CNN zitierte aus einer Mitteilung der Behörde, dass sie die Pressefreiheit achte, aber bei Ermittlungen das richtige Gleichgewicht zwischen dem freien Informationsfluss und der fairen und effektiven Anwendung des Strafrechts finden müsse. Die Behörde würde - bevor sie Telefone abhörten - zuerst versuchen, Informationen über "alternative Kanäle" zu erhalten.

Auf der Suche nach Informationen

Ob der Lauschangriff den Journalisten selbst galt oder Kontaktpersonen innerhalb der Behörden, ist nicht klar. Über den Anlass der Untersuchungen wollte die Regierung keine Auskunft geben, berichtete CNN. AP stellte die Aktion in einen möglichen Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem Bericht der Nachrichtenagentur über einen vereitelten Terroranschlag am 7. Mai 2012. In der Meldung waren Details über eine CIA-Aktion im Jemen genannt worden. Die Terrororganisation Al-Kaida soll damals versucht haben, eine Bombe in einem Flugzeug zu zünden. Die Behörden ermittelten nun, wer diese Informationen an AP weitergegeben habe, schrieb die Agentur am Dienstag. Sechs an der Berichterstattung beteiligte AP-Journalisten seien unter denjenigen, deren Verbindungsdaten sich das Justizministerium beschafft habe.

Quellenschutz

The Newspaper Guild (CWA), eine Arbeitnehmervertretung von Journalisten und Medienleuten, forderte das US-Justizministerium ebenfalls auf, alle Telefonmitschnitte an die AP zurückzugeben. Unter den Aufzeichnungen seien auch welche von Handys von Reportern und Redakteuren und sogar von Telefonen in ihren Wohnungen.

"Die Sammlung dieser Aufnahmen ist ungeheuerlich und ein direkter Angriff auf Journalisten, und das Justizministerium hat solche Ermittlungen zu unterlassen", ließ die CWA auf ihrer Homepage wissen. Informantenschutz sei entscheidend, um die Öffentlichkeit über die Themen, die ihr Leben betreffen, zu informieren. Für "diese breiten und übersteigerten Ermittlungen" gebe es keine Rechtfertigung oder Erklärung. Auch die CWA verwies darauf, dass die Pressefreiheit in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben ist.

Juli 2009: Der niederländische Geheimdienst (AIVD) muss eine Lauschaktion gegen Journalisten der niederländischen Zeitung De Telegraaf einstellen, die über fehlerhafte Analysen des Dienstes im Vorfeld des Irak-Krieges berichtet haben. Das entscheidet ein Gericht in Amsterdam. Auf der Suche nach einem Leck in den eigenen Reihen hatte sich der Dienst die Aktion vom Innenministerium genehmigen lassen.

Oktober 2008: Das für die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität zuständige bulgarische Sicherheitsamt gibt zu, Journalisten und Parlamentarier bespitzelt zu haben. Überwacht wurden vor allem Telefongespräche. Die Aktion sorgt für einen politischen Skandal.

April 2008: Es wird bekannt, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) eine Redakteurin des Nachrichtenmagazins Der Spiegel monatelang überwacht hat. Der BND hatte die E-Mail-Korrespondenz der Journalistin mit einem afghanischen Politiker aufgezeichnet. Der frühere BND-Chef Ernst Uhrlau entschuldigt sich. Das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages in Berlin rügt den Vorgang scharf.

Mai 2006: Der Deutsche Bundestag veröffentlicht den sogenannten Spitzelbericht des BND. Jahrelang hatte der Auslandsgeheimdienst rechtswidrig Journalisten im Inland observiert, um interne Informanten zu enttarnen. Uhrlau bittet in einer Erklärung um Entschuldigung.