Politik/Ausland

Der Klima-Bazar von Marrakesch

Die großen weißen Zelte sind schon von Weitem auszumachen. Links und rechts einer knapp einen Kilometer langen Promenade reiht sich ein Zelt an das andere. Für jeden der knapp 200 Teilnehmerstaaten ist darin eine Koje eingerichtet; dazwischen mehrere kleinere für Meetings und zwei riesige für die Plenardebatten.

Die gigantische Zeltstadt ist – wie es sich für Umweltschützer gehört – ein Recycling-Produkt. Sie wurde vor zwei Jahren bereits bei der Klimakonferenz in Lima verwendet. Das diesjährige Gastland des UNO-Klimagipfels hat sie am Rande der Altstadt von Marrakesch aufstellen lassen. 23.000 Teilnehmer sind in Marokko akkreditiert, darunter 1500 Journalisten. Ein äußerlich gigantischer Aufwand für ein gigantisches Vorhaben.

In Marrakesch kommen erstmals alle jene fast 200 Nationen zusammen, die sich vor einem Jahr in einem dramatischen Finale bei der Klimakonferenz in Paris verpflichtet haben, die gefährlich steigende Erderwärmung um zwei Grad zu senken – sprich den CO2- Ausstoß entsprechend nach unten zu drücken.

Offiziell tritt das Abkommen 2020 in Kraft. Jetzt gilt es, das mühsame Kleingedruckte festzulegen: Von den Standards für die Messmethoden bis zur Kontrolle der Angaben der Staaten durch die UNO. Denn der Klimaschutz-Vertrag hat ambitionierte Ziele, enthält aber null Sanktionen. Es gilt das Prinzip des "blaming und shaming", des öffentlichen Anprangerns von hartnäckigen Klimasündern.

Dass just zwei Tage nach Konferenz-Beginn Donald Trump US-Präsident wurde, der den Klimawandel für einen Schwindel und eine Erfindung der Chinesen zum Schaden der USA hält, hat die Stimmung in Marrakesch nur kurz getrübt.Nach dem historischen Durchbruch von Paris gibt es keine Debatte mehr, ob die Treibhausgase gesenkt werden müssen, sondern nur noch, wie das gelingen kann.

Österreichs Umweltminister Andrä Rupprechter ist für die drei finalen Verhandlungstage angereist. Er glaubt nicht an einen Ausstieg der USA aus dem Klimavertrag: "Der Klimawandel findet auch in den USA statt, das wird man nicht vom Tisch wischen können."

Ex-Grüne für Arnie

Monika Langthaler, Ex-Grün-Abgeordnete und heute Unternehmerin, ist seit Tagen hier, um bei den vielen Side-events Kontakte für R20 zu knüpfen. R20 ist der Zusammenschluss von 20 Regionen, die Klimaschutzprojekte voranbringen wollen – initiiert vom damaligen kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger und unterstützt von der Leonardo-DiCaprio-Foundation. Die beiden Hollywood-Stars arbeiten an der Finanzierung von hundert weltweiten Projekten – von der Förderung erneuerbarer Energie bis zur Abfallvermeidung. Die DiCaprio-Stiftung steckt 100 Million Dollar als "philantropic money" und will so mindestens eine Milliarde Investmittel in Bewegung setzen.

Langthaler war schon auf vielen Klimakonferenzen. Auffallend ist nicht nur für sie, dass die Firmenvertreter dabei sind, den Politikern den Rang abzulaufen. Immer mehr Unternehmen entdecken den Klimaschutz als lohnendes Geschäftsfeld. 40 Milliarden Dollar liegen bereits in einem weltweiten Fonds für einschlägige Projekte, 100 Milliarden sollen es werden. In zwei Riesen-Zelten präsentieren sich Top-Unternehmen von Siemens bis Bombardier. Österreich ist heuer erstmals mit sechs Technologie-Anbietern und einem Stand der Wirtschaftskammer bei einer Klimakonferenz vertreten. Renner im Österreich-Sektor am Umwelt-Bazar von Marrakesch ist der Stand der TU-Wien. Das Institut für Verfahrenstechnik bietet hier unter anderem Know-how für Biogas-Anlagen an. "Wir sind sehr zufrieden. Nirgendwo auf der Welt hat man die Chance, mit Vertretern von 200 Nationen für Kooperationen in Kontakt zu kommen", sagt TU-Professor Michael Harasek.

Kerry wirbt um Trump

Der politische Star dieser Konferenz kam diesmal aus den USA. Der scheidende Außenminister John Kerry verabschiedete sich mit einer leidenschaftlichen Rede für den Klimaschutz: "Für die Wissenschaftler der Welt ist nichts am Klimawandel Parteipolitik." Wenn die Menschheit ihren Kohlendioxid-Ausstoß nicht dramatisch senke, werde die Erderwärmung "zunehmend katastrophale Auswirkungen für unseren Lebensstil" haben.

Kerry forderte Donald Trump indirekt auf, die Klimapolitik nicht wie angekündigt zu torpedieren. Beim nächsten Klimagipfel will Kerry als "Bürger" dabei sein, um den Fortschritt beim Klimaschutz zu bewerten.

Den Klimagipfel 2017 richten die Fidschi-Inseln aus, die auf der Liste der Opfer des steigenden Weltmeeresspiegels ganz oben stehen. Tatsächlich stattfinden wird er in Bonn. Auf den vom Untergang bedrohten Fidschis gibt es schon jetzt zu wenig Platz für eine Zeltstadt wie die von Marrakesch.