Politik/Ausland

Ukraine: Jazenjuk überstand Misstrauensvotum

Trotz der Rücktrittsaufforderung von Präsident Petro Poroschenko hat der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk ein Misstrauensvotum im Parlament in Kiew überstanden. Bei der Parlamentsabstimmung am Dienstagabend votierten 194 Abgeordnete für seine Absetzung, 226 Stimmen wären notwendig gewesen. Dem Premier wird vorgeworfen, Reformen zu verschleppen und zu wenig gegen Korruption zu tun.

Poroschenko forderte seinen Regierungschef am Nachmittag zum Rücktritt auf, "um das Vertrauen in die Regierung wiederherzustellen". "Die Regierung hat viel getan, um das Land zu retten, die Wirtschaftslage zu stabilisieren und Reformen zu starten. Doch die Gesellschaft hat klar entschieden, dass die Fehler zahlreicher als die Errungenschaften sind", erklärte Poroschenko.

Therapie reicht nicht mehr

"Um das Vertrauen wiederherzustellen, reicht die Therapie nicht länger, es bedarf der Chirurgie." Die Ukraine sei in einer "Sackgasse", erklärte der Staatschef. Der Präsident schloss aber vorgezogene Neuwahlen aus, vielmehr müsse die regierende prowestliche Koalition eine neue Regierung bilden. Jazenjuk traf kurz darauf im Parlament ein, um seine Pläne für dieses Jahr vorzustellen.

In seiner Ansprache verteidigte er entschlossen die Bilanz seiner Regierung. "Wir haben dieses Land gerettet und ich will, dass Sie dies respektieren", sagte Jazenjuk. "Wir haben nun ein Land mit voller Staatsschatulle, eine bewaffnete ukrainische Armee, abgeschriebene Schulden und bezahlte Gehälter und Pensionen." Er werde das Land einer neuen Regierung "mit Ehre und Würde" übergeben, schloss Jazenjuk.

Bei der anschließenden Vertrauensabstimmung votierten 194 Abgeordnete gegen ihn, verpassten damit aber die nötige Mehrheit von 226 der 450 Abgeordneten. Poroschenko soll es den Abgeordneten seiner Partei am Montag freigestellt haben, im Parlament gegen Jazenjuk zu stimmen. Beide Politiker gehören der prowestlichen Koalition an, doch mehrten sich zuletzt die Meinungsverschiedenheiten.

Persönliche Angriffe

In einer von persönlichen Angriffen geprägten Debatte hatte der Fraktionschef des Poroschenko-Blocks, Juri Luzenko, Jazenjuk scharf kritisiert. "Dieses Land kann die Tatenlosigkeit der Regierung nicht weiter hinnehmen. Die Leute sehen, dass sich bei den Reformen nichts bewegt", sagte der Ex-Innenminister. Jazenjuk müsse zurücktreten.

Jazenjuk war Anfang 2014 einer der Anführer der Protestbewegung gegen den prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Der 41-jährige frühere Banker kündigte nach seinem Amtsantritt strenge Sparmaßnahmen und Schritte gegen die Oligarchen an. In den vergangenen Monaten wurde ihm aber vorgeworfen, die versprochenen Reformen nicht umzusetzen, weil er die Macht der Oligarchen nicht anzutasten wage. In Bedrängnis geriet er, nachdem Anfang Februar Wirtschaftsminsiter Aivaras Abromoavicius zurückgetreten war und dies mit der nicht erfolgten Umsetzung seiner Privatisierungspläne begründet hatte.

Im Dezember wurde Jazenjuk zudem beschuldigt, im Gegenzug für einen Auftrag zur Umrüstung der Atomkraftwerke Schmiergeld von der tschechischen Firma Skoda angenommen zu haben. In Umfragen unterstützten zuletzt 70 Prozent der Bürger seine Entlassung. Vor dem Parlament in Kiew protestierten am Dienstag bei nasskaltem Wetter Hunderte gegen die Politik von Jazenjuk.

Drei getötete Soldaten

Unterdessen wurden an der Front im Osten drei ukrainische Soldaten getötet. Ein Militärsprecher sagte, die Kämpfe mit den prorussischen Rebellen um die Ortschaft Saitsewe seien eskaliert. Er warf den Separatisten vor, seit Montag den geltenden Waffenstillstand in 79 Fällen verletzt zu haben. Die Rebellen warfen der Armee ihrerseits vor, Saitsewe mit Mörsern, Granaten und Panzern zu beschießen.