Armee tötet angeblich 300 Separatisten
Bei den bisher heftigsten Kämpfen in der Ostukraine sind nach Regierungsangaben rund 300 Separatisten getötet worden. Für die von Armeesprecher Wladislaw Selesnjow am Freitag genannte Zahl gab es zunächst keine Bestätigung. Ein Rebellenführer sprach jedoch von "schweren Verlusten" am Vortag. Seine Einheiten seien den Waffen der Armee unterlegen gewesen sein.
Nach Angaben des Militärsprechers wurden sieben Soldaten getötet und 30 weitere verletzt. Die Kämpfe ereigneten sich demnach nahe der Stadt Krasni Liman, die sich seit Anfang des Monats unter Kontrolle der Regierungstruppen befindet. Separatisten hatten nach Angaben der Armee versucht, die Absperrungen zu durchbrechen. Die Aufforderung der Regierung, ihre Waffen abzugeben, lehnten sie ab.
Das ukrainische Militär hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums zudem die Kontrolle über die Grenze zu Russland wiedererlangt. Zudem sei es seit "letzter Woche" nicht länger möglich, "militärisches Gerät aus Russland ins Land zu bringen", fügte Verteidigungsminister Michail Kowal am Freitag in einer Rede vor dem Parlament in Kiew hinzu.
14-Punkte-Plan
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat laut Medienberichte am Freitag wie angekündigt einen Friedensplan mit 14 Punkten für den Osten des Landes vorgelegt. Dieser sehe unter anderem die "Entwaffnung" von Milizen sowie eine "Dezentralisierung der Macht" im Land vor, berichtete der private Fernsehsender Inter TV auf seiner Webseite. Zudem sollen demnach prorussische Separatisten, die keine "schweren Verbrechen" begangen haben, straffrei ausgehen. Auch werde in dem Plan ein "Korridor für russische und ukrainische Söldner" zum Verlassen der Krisenregion angekündigt.
Beratung mit Putin
Die ukrainische Armee kämpft im Osten des Landes seit Wochen gegen prorussische Separatisten, die eine Abspaltung von der Ukraine fordern. Bisher wurden in dem Konflikt mindestens 360 Menschen getötet. Sowohl die pro-russischen Separatisten, die für eine Unabhängigkeit von Kiew kämpfen, als auch die Regierungstruppen halten jeweils Gefangene. Daneben haben die Separatisten seit drei Wochen zwei Beobachterteams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in ihrer Gewalt. Am Donnerstag gab die OSZE mit Sitz in Wien bekannt, erstmals wieder Kontakt zu den verschleppten Personen zu haben. "Sie sind okay und nicht verletzt", sagte der Sprecher der Mission in Kiew, Michael Bociurkiw. Einzelheiten wolle er nicht mitteilen, um die Sicherheit der Mitarbeiter nicht zu gefährden.
Truppenaufmarsch
Der britische Premierminister David Cameron bezeichnete das Verhalten Russlands bezüglich der Ukraine als "illegale Aggression". Moskau setze die Kooperation mit der NATO in der Zukunft aufs Spiel. Rasmussen bedauerte den Truppenaufmarsch. "Wenn sie dort eingesetzt würden, um die Grenze zu schließen und den Strom von Waffen und Kämpfern (in die Ukraine) zu stoppen, dann wäre das ein positiver Schritt", sagte Rasmussen. "Aber das ist nicht das, was wir sehen."
"Nur Grenzsicherung"
Moskau reagierte "überrascht" vom Argwohn der NATO wegen der neuen Truppenverlegung, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag laut russischer Medienberichten. Es handle sich "um Maßnahmen, um die Sicherung der russischen Grenzen zu verstärken".
Die Antwort kam postwendend und knapp. Zunächst hatte die ukrainische Armee Flugblätter in Rebellengebiete in der Ostukraine gefeuert. Die Forderung: im Austausch gegen eine Amnestie müssten ultimativ die Waffen niedergelegt werden. Die Führung der selbst ernannten Volksrepublik Donezk (DNR) wies das prompt zurück.
Die Folge sind die anscheinend bisher schwersten Kämpfe in der Region seit Beginn der gesamten Krise. Es geht um das Gebiet um die drei nahe beieinander gelegenen Städte Krasny Liman, Slowjansk und Kramatorsk in der Region Donezk. Ein Sprecher der ukrainischen Armee bezeichnete die Auseinandersetzungen dort als "weit mehr" als man bisher gesehen habe. Auf beiden Seiten seien schwere Waffen, Panzerfahrzeuge und unter Umständen auch Kampfpanzer im Einsatz.
Der Einsatz letzterer aufseiten der Separatisten war zunächst nicht bestätigt. Klar aber ist, dass die Separatisten über eine nicht näher bekannte Anzahl an T-72-Panzern russischer Bauart verfügen – solche befinden sich nicht im Arsenal der ukrainischen Armee. Ebenso unbestätigten Berichten zufolge sollen sich 4000 Kämpfer aufseiten der Separatisten in der Region gesammelt haben. Auf diese Anzahl angesprochen sagte ein Sprecher der Armee: "Dann wird es 4000 Särge geben."
Unklar war, ob Regierungskräfte nach Zurückweisung des Ultimatums in die Offensive gegangen waren – in der Wortwahl Kiews nennt sich das "aktive Phase" –, oder ob Rebellenverbände als erstes ukrainische Stellungen um die seit kurzem wieder von der Armee gehaltene Stadt Krasny Liman angegriffen hatten. Unumstritten ist hingegen ein neuerlicher russischer Truppenaufmarsch entlang der Grenze zur Ukraine. Moskau spricht von einer "Sicherheitsmaßnahme". NATO-Generalsekretär Rasmussen sprach von einem "positiven Schritt", würden die Einheiten den Strom an Waffen und Kämpfern in die Ukraine unterbinden. Leider, so Rasmussen, sei das aber "nicht das, was wir sehen".
Inmitten dieser Eskalation scheint es zumindest im Fall der seit drei Wochen verschleppten OSZE-Beobachter mehr Klarheit zu geben. Ein Sprecher der OSZE sagte, erstmals seit Verschwinden der zwei OSZE-Teams (nahe Donezk und in der Region Lugansk) habe man wieder Kontakt zu den Entführten.
Abkommen mit der EU
Erst am Mittwoch hatte Präsident Petro Poroschenko eine einseitige Waffenruhe sowie eine Amnestie für alle Kämpfer in Aussicht gestellt, die ihre Waffen niederlegen. Am Donnerstag war auch ein Treffen Poroschenkos mit ostukrainischen Vertretern aus Wirtschaft und Politik geplant, um die Krise zu beraten. Zudem waren im Parlament Abstimmungen vorgesehen. Thema: Personalien aber auch vorgezogene Parlamentswahlen, wie sie Poroschenko will. Und, so gab Poroschenko bekannt, kommenden Freitag will er den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU unterzeichnen.