Politik/Ausland

Tunesien ruft nach Anschlag Notzustand aus

Der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi hat in einer Fernsehansprache den Ausnahmezustand in dem nordafrikanischen Land für zunächst 30 Tage verhängt. "Wir sind in großer Gefahr", sagte er am Samstagabend. "Wir befinden uns im Kriegszustand." Das Land sei in einer schwierigen Lage und es sei notwendig, ausländische Investoren anzuziehen, fügte er hinzu. „Aber investitionsfreundliches Klima haben wir zur Zeit nicht.“

Ein tunesischer Student hatte am Freitag vergangener Woche an einem Strand in Port El Kantaoui nahe Sousse 38 Menschen erschossen, darunter 30 Briten und zwei Deutsche. Das Attentat auf die Anlage des Hotels Riu Imperial Marhaba war das bisher blutigste in der Geschichte Tunesiens.

Entlassung des Gouverneurs

Die Behörden verkündeten am Samstag die Entlassung von mehreren Verantwortlichen, darunter des Gouverneurs der Region des Anschlags und von hochrangigen Polizisten. Laut Augenzeugen war die Polizei erst nach 30 Minuten vor Ort. Die tunesischen Sicherheitskräfte nahmen inzwischen acht Verdächtige fest, die nach Regierungsangaben zu einem „Netzwerk“ hinter dem Anschlag gerechnet werden. Neben den erweiterten Befugnissen für die Polizei und Armee werden Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt.

Der neuen tunesischen Verfassung zufolge darf der Präsident den Ausnahmezustand im Falle einer akuten Bedrohung des Staates nach Beratungen mit dem Regierungschef und dem Parlamentspräsidenten verhängen. Allerdings darf er in einer solchen Extremsituation nicht das Parlament auflösen. 30 Tage nach Verhängung des Ausnahmezustands dürfen der Parlamentspräsident oder mindestens 30 Parlamentarier das Verfassungsgericht anrufen, um die Maßnahme zu überprüfen. Eine Verfassungsgericht gibt es in Tunesien allerdings noch nicht. Es soll noch heuer aufgebaut werden.

Tourismus liegt darnieder

Die Folgen für den Tourismus - von dem immerhin rund 400.000 Menschen im Land leben - sind in der vergangenen Woche sehr deutlich geworden. Hoteliers aus Sousse meldeten einen Einbruch der Buchungen um rund 40 Prozent. Mehrere Tausend Urlauber wurden ausgeflogen, angekommen sind laut Medienberichten nur wenige Dutzend.

Seit dem Sturz des ehemaligen Staatschefs Zine El Abidine Ben Ali 2011 ist die islamistische Gewalt in dem nordafrikanischen Land auf dem Vormarsch, viele junge Tunesier schließen sich offenbar aus Frust über mangelnde Perspektiven Extremisten an.

Tunesien hatte erst im März 2014 den Ausnahmezustand, der seit dem Arabischen Frühling gegolten hatte, aufgehoben. Die Sicherheitskräfte hatten dadurch umfassende Rechte bekommen: So durften sie zum Beispiel schießen, wenn sich eine verdächtige Person widersetzte. Die Regierung geht auch massiv gegen Hassprediger vor. Laut Staatsmedien sollen bis Sonntag die rund 80 Moscheen, die nicht unter staatlicher Kontrolle stehen, geschlossen sein.

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