Politik/Ausland

Ministerpräsident will Expertenregierung bilden

Der tunesische Ministerpräsident Hamadi Jebali will die von seiner islamistischen Ennahda-Partei dominierte Regierung auflösen und eine Expertenregierung bilden. Das kündigte er am Mittwochabend in einer Rede an die Nation an.

Proteste

In mehreren tunesischen Städten ist es am Mittwoch zu Massenprotesten gekommen, nachdem Unbekannte einen führenden Oppositionspolitiker erschossen hatten. In Sidi Bouzid, wo 2011 der Arabische Frühling seinen Ausgang genommen hatte, feuerte die Polizei Tränengas auf Demonstranten, als diese das Polizeigebäude stürmen wollten.

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In Mezzouna ging das Hauptquartier der islamistischen Regierungspartei Ennadha in Flammen auf, die jegliche Beteiligung am Mord zurückwies.

Chokri Belaid war in der Früh durch mehrere Schüsse getötet worden. Seine Familie machte die Ennahda dafür verantwortlich. Belaid war Chef der linksgerichteten, oppositionellen Volksfront und galt als harscher Kritiker der amtierenden Regierung. Ministerpräsident Hamadi Jebali von der Ennahda verurteilte die Tat als politischen Mord und nannte sie einen Schlag gegen den Arabischen Frühling.

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In Tunis versammelten sich mehr als 1000 Menschen vor dem Innenministerium. Viele von ihnen forderten einen Sturz der Regierung, die nach dem Volksaufstand gegen Machthaber Zine al-Abidine Ben Ali vor zwei Jahren gewählt worden war. In Sidi Bouzid protestierten Augenzeugen zufolge mehr als 4000 Menschen. Sie setzten Reifen in Brand und bewarfen Polizisten mit Steinen. Diese schossen in die Luft und setzten wie auch in Tunis Tränengas ein, um die Menge zu zerstreuen.

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Indes riefen vier Oppositionsparteien als Reaktion auf die Ermordung Belaids für Donnerstag zum Generalstreik auf. Dieselben Parteien gaben am Mittwoch auch bekannt, sich aus dem Verfassungsrat, der mit dem Entwurf einer neuen tunesischen Verfassung beauftragt ist, zurückziehen zu wollen.

Staatschef bricht Besuch in Frankreich ab

Der tunesische Staatschef Moncef Marzouki bezeichnete Belaid vor dem EU-Parlament in Straßburg als "persönlichen Freund" und kündigte an "die Feinde der Revolution zu demaskieren". Die tunesischen Bürger rief er zur Besonnenheit auf. Seinen Besuch in Frankreich brach er ab, auch die Teilnahme am der Organisation der islamischen Konferenz (OIC) in Kairo sagte er ab.

Marzouki gehört der säkularen Partei Kongress für die Republik an, die an der Regierung beteiligt ist. Am Sonntag drohte die Partei mit einem Koalitionsbruch, sollte Ennahda nicht zwei islamistische Minister entlassen. Nach der Wahl der von Islamisten dominierten Regierung im Oktober 2011 ist ein erbitterter Streit mit säkularen Kräften über die weitere Ausrichtung der Politik entbrannt. Viele fürchten den wachsenden Einfluss extremistischer Kräfte.

Frankreichs Präsident Hollande erklärte, die erneute politische Gewalt in Tunesien sei alarmierend. "Der Mörder (von Belaid) hat Tunesien eine seiner mutigsten und freiesten Stimmen genommen."