Politik/Ausland

Türkischer Oppositionsführer greift Erdogan scharf an

Scharfe Attacken vom türkischen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: Es gebe "weder Recht noch Gerechtigkeit in diesem Land", sagte der Chef der Republikanischen Volkspartei (CHP) am Samstag bei der Eröffnung eines viertägigen "Kongresses für Gerechtigkeit" in der westtürkischen Provinz Canakkale.

Erdogan wollte am selben Tag im Osten des Landes an Jubiläums-Feiern zu einer historischen Schlacht teilnehmen. "Es ist meine Aufgabe, mich gegen die Tyrannen vor die Unschuldigen zu stellen", sagte Oppositionsführer Kilicdaroglu. Es gebe in der Türkei nicht "nur eine Person, sondern 80 Millionen, die nach Gerechtigkeit dürsten". Der viertägige Kongress seiner Partei CHP ist ein Novum in der Geschichte des Landes. Die Veranstaltung findet bei Canakkale auf der Gallipoli-Halbinsel im Westen der Türkei statt.

Die Gegend war im Ersten Weltkrieg Schauplatz blutiger Schlachten zwischen dem Osmanischen Reich und den westlichen Invasionstruppen. In den monatelangen Kämpfen gelang es den osmanischen Truppen unter General Mustafa Kemal Atatürk im April 1915, die Alliierten zum Rückzug zu zwingen. Atatürk gründete acht Jahre später die Türkische Republik. Er genießt als Held des Unabhängigkeitskriegs und Gründer der modernen Türkei bis heute großes Ansehen bei den Türken.

Mit der Wahl von Canakkale als Ort für den Kongress betont Kilicdaroglu die Position der CHP als Erbin Atatürks. Wie bereits bei seinem "Marsch für Gerechtigkeit", der ihm im Juli viel Aufmerksamkeit einbrachte, stellt Kilicdaroglu das Thema Gerechtigkeit ins Zentrum des Kongresses.

Während Kilicdaroglu den Kongress in Canakkale eröffnete, wollte Präsident Erdogan in der östlichen Provinz Mus an den Feierlichkeiten zum Sieg der Türken in der Schlacht von Malazgirt teilnehmen. Die Türken hatten dem byzantinischen Kaiser Diogenes bei der Schlacht im Jahr 1071 eine schwere Niederlage beigefügt. Der Sieg wird in der Türkei als Schlüsselereignis bei der Besiedlung Anatoliens durch die Türken gefeiert.

Obwohl es noch mehr als zwei Jahre bis zu den nächsten Parlaments- und Präsidentenwahlen im November 2019 dauert, versuchen sich Erdogan und die Opposition bereits in Position zu bringen. Erdogan hielt zuletzt trotz der Ferienzeit fast täglich Reden, während sich Kilicdaroglu bemühte, die Dynamik des "Marschs für Gerechtigkeit" aufrechtzuhalten, der Anfang Juli mit einer Großkundgebung in Istanbul geendet war.

Zuletzt war auch eine vorsichtige Annäherung der CHP an die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) zu beobachten. Die CHP-Führung schickte wiederholt Vertreter zu den "Gerechtigkeitswachen", die die HDP in den vergangenen Wochen in Diyarbakir, Istanbul und anderen Städten organisierte. Die HDP-Führung rief ihrerseits zur Teilnahme an dem Kongress in Canakkale auf.