Türkei: Schulen wehren sich gegen AKP-Einfluss
Rund 371 Gymnasien in der Türkei haben ein Statement veröffentlicht, indem sie vor "reaktionären Bestrebungen" und zunehmend religiös-konservativen Lehrplänen warnen. Diese, so heißt es in dem von der Tageszeitung Hürriyet am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme, würden den Laizismus und die Prinzipien des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk schrittweise abschaffen.
"Diese Kinder sind unser Stolz", sagte der türkische Oppositionsführer der Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu mit Blick auf den Widerstand auf den Schulhöfen. Schon seit einigen Wochen lehnen sich in der Türkei Schüler von sogenannten "Elite-Gymnasien" gegen ihre Schulleitungen auf. Es sind staatliche Schulen aus dem ganzen Land, darunter viele aus der Provinz, aber auch renommierte Schulen aus Metropolen wie Ankara und Istanbul. Das österreichische Sankt Georgs-Kollegs in Istanbul ist nicht dabei.
Initiative kommt aus deutsch-türkischem Gymnasium
Den Anfang der Protestwelle machte das deutsch-türkische Gymnasium in Istanbul. Anfang Juni bei der Abschlussfeier kehrten die Absolventen ihrem eine Rede haltenden Direktor den Rücken zu. Die Schule hatte zuvor den deutschen Konsul ausgeladen, der traditionell am Tag der Zeugnisvergabe die Rede an die Schüler hält. Begründet wurde die Ausladung mit der kurz zuvor im Deutschen Bundestag angenommenen Resolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich.
Nach und nach schlossen sich immer mehr Gymnasien den Protesten an. Hintergrund der Auflehnung ist der zunehmende Einfluss der islamisch-konservativen AKP-Regierung auf das Bildungssystem. Denn das Erziehungsministerium bestimmt inzwischen alleine über die Besetzung der Schulleitungen und schickt auch an säkulare Elite Gymnasien konservativ-religiöse Schulleiter, denen unterstellt wird, die Bildungsinhalte auf Regierungslinie zu bringen.
Schulen in Nacht und Nebelaktionen umgewandelt
Der Unterricht, so lautet der Vorwurf, werde immer mehr mit religiös-konservativen Inhalten durchsetzt. Staatliche Schulen würden in Nacht und Nebelaktionen in sogenannte Imam-Hatip-Schulen, also in religiöse Gymnasien umgewandelt werden. Zudem, so berichten regierungskritische Medien regelmäßig, würden Fächer wie Sozialkunde und Philosophie unter dem Vorwand von Lehrermangel immer weiter reduziert, um damit diejenigen Fächer mit Diskussionskultur schrittweise einzustellen.
"Wir kämpfen für unsere Heimat und für unsere Zukunft", erklären die Schüler in der gemeinsamen Stellungnahme ihren Protest. Dieser wurde von den türkischen Medien schon mit den regierungskritischen Gezi-Protesten verglichen, welche die Türkei im Sommer 2013 landesweit erschütterten.