Türkei, Griechenland – und zurück
Von Hans Jungbluth
Mohammed Javed hat viel durchgemacht in den vergangenen Monaten – und er will auch jetzt nicht aufgeben. Nach der Flucht aus seiner Heimat Pakistan hat sich Javed in die Türkei durchgeschlagen und sein Leben den Menschenhändlern anvertraut, die im Vorjahr Hunderttausende Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland gebracht hatten. Kaum auf Lesbos angekommen, wurde Javed am Montag als einer der ersten Flüchtlinge aus Griechenland wieder in die Türkei gebracht und in der Hafenstadt Dikili von türkischen Polizisten in Empfang genommen. Dennoch will Javed auch nach der Zwangsrückkehr alles daran setzen, nach Europa zu kommen. Er werde es wieder versuchen, sagte er der Nachrichtenagentur Anadolu. "Ich will nicht zurück nach Hause."
Großaufgebot von Beamten
Javed war einer von mehr als 200 Flüchtlingen, vorwiegend aus Pakistan, Bangladesch und anderen asiatischen Ländern, die am Montag von Lesbos und der Insel Chios in die Türkei zurückgebracht wurden. Begleitet von einem Großaufgebot von Beamten der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Küstenwachschiffen und Hubschraubern überquerten angemietete Fährschiffe die kurze Strecke, die Javed und viele andere erst kürzlich in entgegengesetzter Richtung bewältigt hatten.
Übergangslager
In Dikili wurden die Flüchtlinge noch am Hafenkai registriert und ärztlich untersucht. Vorerst sollen Nicht-Syrer wie er anschließend in einem Lager in Kirklareli nordwestlich von Istanbul im europäischen Teil der Türkei untergebracht werden. Dies kann allerdings nur eine Übergangslösung sein: In dem Lager ist nur Platz für 750 Menschen.
Syrische Rückkehrer aus Griechenland werden nach Osmaniye im Süden des Landes gebracht. Im Gegenzug nimmt die EU bis zu 72.000 syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf legalem Wege auf; die ersten von ihnen trafen gestern in Deutschland ein. Menschenrechtler protestierten gegen die Aktion und forderten einen "Stop des schmutzigen Deals" zwischen EU und Türkei. Aber nicht alle Proteste richten sich gegen die nach Ansicht von Aktivisten illegale Abmachung von Brüssel. Schon am Wochenende hatten in Dikili hunderte Menschen demonstriert, nachdem sich Gerüchte vom Bau eines Auffanglagers in der Gegend verbreitet hatten.
Rückgang
Fraglich ist, ob der Flüchtlings-Deal dazu beiträgt, die Massenwanderung von Flüchtlingen nach Europa zu stoppen. Zwar war die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge vergangene Woche auf durchschnittlich 425 Menschen pro Tag gefallen – ein drastischer Rückgang im Vergleich zum Sommer, als mehrere Tausend Flüchtlinge pro Tag auf Lesbos und anderen Inseln landeten. Doch nach wie vor versuchen viele Menschen die Flucht: Am Montag stoppte die türkische Küstenwache 60 Afghanen, die nach Griechenland wollten.
Unklar ist auch das Schicksal der Zwangsrückkehrer. Die Nicht-Syrer sollen aus dem Lager in Kirklareli so schnell wie möglich in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Allerdings fehlen dafür in vielen Fällen die nötigen Verträge zwischen der Türkei und den jeweiligen Herkunftsstaaten.