Politik/Ausland

Erdogan-Gegner gründen "Gezi-Partei"

Vier Monate nach den schweren regierungsfeindlichen Unruhen in der Türkei haben Gegner von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine "Gezi-Partei" gegründet, um das Wählerpotenzial der Protestbewegung zu bündeln. Ziel sei der Einzug ins Parlament, erklärten die Gründer der Partei am Donnerstag auf ihrer Facebook-Seite. Vorsitzender ist Cem Köksal, ein 37-jähriger Rockmusiker.

Sechs Tote, tausende Verletzte

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Die Partei ist nach dem IstanbulerGezi-Parkbenannt. Das brutale Vorgehen der Polizei gegen eine lokale Protestaktion um den Gezi-Park hatte die landesweiten Unruhen vom Juni ausgelöst. Bei wochenlangen Straßenschlachten in den meisten großen Städten der Türkei waren damals sechs Menschen getötet und mehrere tausend verletzt worden; bei neu aufgeflammten Protesten im September starb ein weiterer Demonstrant.

Die "Gezi-Partei" strebe ins Parlament, um die türkische Verfassung im Sinne von Demokratie und Menschenrechten zu ändern, erklärten die Parteigründer. Die neue Partei wurde Anfang Oktober bei den Behörden in Ankara angemeldet. Ob die "Gezi-Partei" bereits bei den Kommunalwahlen im März antreten will, war zunächst unklar. Bei Facebook hatte die neue Partei am Donnerstag mehr als 24.000 Anhänger.

Die Skepsis überwiegt noch

Dennoch ist ungewiss, wie groß der Rückhalt der neuen Partei sein wird. Mitglieder der Istanbuler Protestbewegung sagten am Donnerstag, sie würden sich zunächst nicht der "Gezi-Partei" anschließen. Die Parteigründung habe bei Mitgliedern der Protestbewegung zunächst Schmunzeln ausgelöst. In Istanbul bestehen etwa 60 lokale Gruppen, in denen sich Anhänger der Gezi-Bewegung regelmäßig treffen. Eine einheitliche Struktur gibt es bisher aber nicht.

Auch Beobachter sind skeptisch: „Es ist noch zu früh von einem politischen Projekt zu sprechen, das eine echte Alternative zu den herkömmlichen Parteien darstellt, sagte Bekir Agirdir, Direktor des Umfrageinstituts Konda, kürzlich in einem FAZ-Interview.