Politik/Ausland

Eine Petition für Frieden und ihre Folgen

Es begann mit einem Text: Eine A4-Seite, darauf die Forderung nach Ende der Blockaden und Ausgangssperren in der Osttürkei, nach Frieden und nach Einhaltung von Grundrechten. Und die Feststellung, dass die Unterzeichner dieser Petition als "AkademikerInnen und WissenschaftlerInnen dieses Landes", nicht "Teil dieser Verbrechen sein werden".

Es geht um die Zustände in der Südosttürkei, die sich in einen offen Krieg zwischen Armee und mehrheitlich kurdischen Aufständischen auswachsen, die sich selbst zur kurdischen Arbeiterpartei PKK zählen. Es geht aber vor allem auch um die damit einher gehende Gleichschaltung der Gesellschaft auf Regierungslinie.

Eine "offene, demokratische Debatte" habe man anregen wollen, sagt eine Unterzeichnerin. 2200 Menschen haben das Papier unterschrieben. Aber wenige Wochen nach der Veröffentlichung am 11. Jänner ist klar, dass die Initiatoren damit in ein Wespennest gestochen haben. Direkte Drohungen sind die Folge. Präsident Erdogan nannte die Unterzeichner "Verräter", bezeichnete sie als die "dunkle Seite"; es gab Hausdurchsuchungen und Verhöre; 161 Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet; Universitäten leiteten zusätzlich Disziplinarverfahren ein; Medien prangerten die Unterzeichner als "Landesverräter" und "intellektuelle Terroristen" an und veröffentlichten Fotos von ihnen; und auch der bekannte Kriminelle Sedat Peker, dem Verbindungen zu bestens vernetzten nationalistischen Untergrundorganisationen nachgesagt werden, sagte: Die Unterstützer würden von nun an auf seiner Liste stehen, man werde in ihrem Blut baden.

Wer von Frieden spricht, gilt als Terrorist

Die Folge: Schockstarre in akademischen Zirkeln der Türkei. Die bereits erwähnte Unterzeichnerin nennt es schlicht: "Angst". Angst um die Existenz, um die akademische Karriere, aber auch – und das ist die neue Dimension – Angst um das eigene Leben. Die massiven Reaktionen führt sie auf eines zurück: "Die Macht ist sehr fragil." Wer von Frieden spreche, werde als Terrorist abgestempelt.

Internationale Solidaritätsbekundungen seitens Universitäten gab es zwar – großen Widerhall hatten sie aber nicht. In der Flüchtlingskrise setzt die EU angesichts mangelnder innerer Einigkeit auf die Türkei – was sich in milliardenschweren finanziellen Zuwendungen widerspiegelt. Große Unterstützung durch europäische Institutionen erwartet sich die Unterzeichnerin daher nicht. Bleibt nur eine, wenn auch angesichts der massiven Drohungen schmerzhafte Genugtuung nach Jahren unter Erdogan, wie sie sagt: Irgendwie habe sie jetzt das erste Mal das Gefühl, als Wissenschaftlerin wirklich ernst genommen zu werden.