Politik/Ausland

Transnistrien meldet Beschuss aus der Ukraine

Tag 62 im Krieg: In der prorussischen Separatistenregion Transnistrien in der Republik Moldau ist am Mittwoch ein Dorf nahe der Grenze zur Ukraine beschossen worden. Dort befindet sich ein großes russisches Munitionslager. In der Nacht seien mehrere Drohnen von der Ukraine aus über das Dorf Kolbasna geflogen, teilte das transnistrische Innenministerium mit. In der Früh sei Kolbasna dann von der Ukraine aus beschossen worden. Tote oder Verletzte gab es demnach aber nicht.

Kolbasna, auf Rumänisch Cobasna genannt, liegt etwa zwei Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. In dem Dorf lagern rund 20.000 Tonnen Munition aus Sowjetzeiten. Das Lager wird von russischen Truppen bewacht. Nach Angaben des Innenministeriums gilt es als das größte Munitionsdepot in Europa.

Am Montag und Dienstag hatten die Behörden in Transnistrien bereits eine Reihe von Explosionen gemeldet. Attackiert wurden demnach das Ministerium für Staatssicherheit in der Regionalhauptstadt Tiraspol, eine Armee-Einheit und ein russischer Funkturm.

Die Explosionen befeuerten in Moldau die Furcht vor einem Überschwappen des Ukraine-Krieges auf das Nachbarland. Präsidentin Maia Sandu rief die Bevölkerung am Dienstag zur Ruhe auf.
Transnistrien hatte sich im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion von Moldau abgespalten. International wird das Gebiet nicht als eigenständig anerkannt. Die russische Armee verfügt in der Region neben dem Munitionslager auch über einen Militärstützpunkt. Die Regierung in Chisinau fordert seit langem den Abzug der russischen Truppen aus der Region.

Weitere Tote und Verletzte in Donezk und Charkiw

Die Ukraine hat nach neuen russischen Angriffen weitere Tote und Verletzte in mehreren Regionen des Landes beklagt. Im Gebiet Donezk im Osten seien bei drei separaten Zwischenfällen drei Zivilisten getötet worden, so der Gouverneur der Region, Pawel Kyrylenko, am Dienstagabend auf Telegram. Mindestens sechs Personen seien verletzt worden. Auch in der Großstadt Charkiw im Osten des Landes seien infolge von Beschuss drei Menschen getötet und weitere sieben verletzt worden.

Das teilte der Gouverneur der Region, Oleh Synjehubow, auf Telegram mit. Aus der Region Sumy im Nordosten des Landes hieß es, am Dienstag sei erneut ein Ort an der Grenze zu Russland von russischer Seite beschossen worden.

In den vergangenen Tagen habe es praktisch in der gesamten Gegend an der Grenze Beschuss mit schwerer Artillerie gegeben, postete der Gouverneur der Region, Dmytro Schywyzkyj, auf Telegram. Über Schäden oder Opfer war zunächst nichts bekannt.

Der Bürgermeister der zentralukrainischen Stadt Poltawa berichtete, in der Nacht auf Mittwoch seien in der Stadt Explosionen zu hören gewesen. Er bat die Bewohner, keine Fotos zu veröffentlichen. Details gab es zunächst nicht. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

In der Region Belgorod an der ukrainischen Grenze geriet russischen Behördenvertretern zufolge ein Munitionsdepot in Brand. Dieses befinde sich in der Nähe des Dorfes Staraja Nelidowka, schrieb der Gouverneur des Gebiets, Wjatscheslaw Gladkow, auf Telegram, wie die russische Agentur Interfax am Mittwoch berichtete. Gladkow sagte demnach weiter, dass keine Wohngebäude oder Häuser zerstört seien und es auch keine Opfer unter der Zivilbevölkerung gebe.

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Die russischen Streitkräfte haben nach ukrainischen Angaben zudem weitere Einheiten aus Russland ins Angriffsgebiet verlegt, um die Offensive in der Ostukraine zu beschleunigen. "Um die Truppen zu verstärken, haben die Okkupanten zwei taktische Bataillone der 76. Luftlandedivision aus dem Gebiet Belgorod in die Stadt Isjum verlegt", teilte der ukrainische Generalstab am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite mit.

Zudem seien in der russischen Grenzregion Belgorod zwei weitere Raketendivisionen vom Typ Iskander-M aufgestellt worden. Dem Lagebericht nach konnten die russischen Truppen einige Geländegewinne im nordostukrainischen Gebiet Charkiw erzielen. Südlich der Kleinstadt Isjum haben sie das Dorf Sawody eingenommen und sind bis zum Nordrand der Ortschaft Welyka Komyschuwacha vorgedrungen. Beide Orte befinden sich schon auf der Südseite des Flusses Siwerskyj Donez, den die Truppen damit überquert haben. Das weitere Vordringen der russischen Truppen Richtung Süden zielt darauf ab, die ukrainischen Truppen im Donbass einzukesseln.

Kämpfe bis 2023?

Präsidentenberater Olexij Arestowytsch stimmte die Ukrainer indes auf einen möglicherweise bis ins kommende Jahr andauernden Krieg ein. "Das Ende der aktiven Phase im Donbass bedeutet nicht das Ende des Krieges. Es wird weiterhin taktische Aktionen, Luftangriffe, Krieg geben. Es ist eine lange Geschichte, und sie könnte sehr lange sein, bis ins neue Jahr andauern", sagte Arestowytsch am Dienstag nach Angaben der ukrainischen Agentur Ukrinform. Er wies darauf hin, dass die westlichen Waffenlieferungen erst "Ende Mai oder Anfang Juni (...) wesentliche Auswirkungen auf dem Schlachtfeld haben" werden.
 

"Ziele weit über Ukraine hinaus"

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij zufolge gehen Moskaus Ziele weit über die Ukraine hinaus. "Das ultimative Ziel der russischen Führung ist nicht nur die Eroberung der Ukraine, sondern die Zerschlagung des gesamten Zentrums und des Ostens Europas", sagte Selenskij in seiner allabendlichen Videobotschaft, die in der Nacht auf Mittwoch auf Telegram veröffentlicht wurde. Auch ein "globaler Schlag gegen die Demokratie" gehöre zu dem Ziel.

In der "freien Welt" gebe es praktisch niemanden mehr, der nicht verstanden habe, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine nur der Anfang sei, meinte Selenskij. Die fortgesetzten Angriffe auf die Ukraine etwa in der Region Odessa im Süden des Landes oder im Donbass im Osten, so Selenskij weiter, würden Russland "nur neue Verluste" bringen. Diese hätten ein neues EU-Sanktionspaket oder mehr Handelsbeschränkungen zur Folge. Die Mehrheit der Russinnen und Russen werde die aggressive Politik der Staatsführung mit Armut bezahlen müssen.

Wie Selenskij bei einem Treffen mit IAEO-Generaldirektor Rafael Grossi in Kiew betonte, haben die ukrainischen Streitkräfte keine Angst vor den in Transnistrien stationierten russischen Truppen. Das berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. "Was die russischen Truppen betrifft, die sich seit vielen, vielen Jahren ständig auf dem vorübergehend besetzten Gebiet der Republik Moldau, nämlich in Transnistrien, befinden, so wissen wir, dass sie in ständiger Bereitschaft sind und auf einen Befehl warten. Wir wissen um ihre Macht, und die ukrainischen Streitkräfte sind bereit und haben keine Angst vor ihnen", so Selenskij wörtlich.

Der Krieg kann sich nach Einschätzung des ukrainischen Präsidentenberaters Olexij Arestowytsch noch über viele Monate hinziehen. Die von der Ukraine neu erhaltenen Waffen könnten Ende Mai, Anfang Juni "ernsthafte Auswirkungen" auf das Kampfgeschehen haben, erklärte Arestowytsch in einem am Dienstagabend veröffentlichten YouTube-Interview, wie die ukrainische Agentur Unian berichtete. Der Krieg selbst könnte bis Ende des Jahres dauern.

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