Politik/Ausland

Tote und Verletzte bei russischem Angriff auf Hochhaus

Die Zahl der Todesopfer nach dem Einschlag einer russischen Rakete in ein Wohnhaus in der Stadt Dnipro ist nach ukrainischen Angaben auf 21 gestiegen. Nach Angaben der Behörden zählt zu den Toten auch ein Kind. Zudem bleibe "das Schicksal von mehr als 40 Menschen unklar", erklärte der Gouverneur der ostukrainischen Region Dnipropetrowsk am Sonntag. Die Rettungsarbeiten dauern demnach noch an. 73 Menschen wurden verletzt. In seiner abendlichen Videobotschaft hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut mehr Waffen vom Westen gefordert.

Der ukrainischen Armee zufolge wurde der neunstöckige Wohnblock von einem russischen Marschflugkörper vom Typ X-22 getroffen. Das ukrainische Militär sei nicht in der Lage gewesen, das Geschoss abzufangen. Nach offiziellen Angaben wurden mehr als 230 Wohnungen in dem Gebäude beschädigt, 72 Wohnungen wurden komplett zerstört. Freiwillige helfen den Betroffenen, sich zu wärmen und zu verpflegen.

Signale mit Taschenlampen

Es gebe noch Überlebende in den Trümmern, die SMS absetzten oder einfach um Hilfe riefen, sagte ein Sprecher der Einsatzkräfte. In den Trümmern signalisierten verschüttete Bewohner in der Dunkelheit nach ukrainischen Medienberichten auch mit ihren Taschenlampen an Mobiltelefonen, wo sie sich unter den Trümmern befanden, um gerettet zu werden. Viele schrien auch, wie auf Videos in sozialen Netzwerken zu hören war.

Die Präsidialverwaltung in Kiew veröffentliche Aufnahmen von dem in Trümmern liegenden Gebäude. Der Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak, zeigte sich entsetzt: "Russen sind Terroristen, die bestraft werden für alles. Alle - ohne Ausnahme." Er sagte, dass die Flugabwehr und Luftstreitkräfte ihre Arbeit erledigten. "Wir werden zurückschlagen." Der Feind ändere seine Taktik nicht und setze seine Schläge gegen die zivile Infrastruktur fort.

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Selenskij: "Russischer Terror"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij verurteilte ebenfalls den "russischen Terror". Mit Blick auf die Bergungsarbeiten sagte er: "Wir kämpfen um jeden Menschen, um jedes Leben." Die Verantwortlichen für diese Bluttat würden gefunden und betraft. Zugleich verlange Selenskij erneut mehr Waffen vom Westen. Um die tödlichen Angriffe auf zivile Ziele zu verhindern, würden diejenigen Waffen benötigt, die sich in den Depots der Partnerländer befänden, sagt Selenskij in seiner allabendlichen Videoansprache.

Angesichts der kritischen Lage der Stromversorgung infolge des Raketenangriffs in Dnipro bat der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, um Hilfe. "Um die Stromversorgung wichtiger Infrastrukturobjekte in Dnipro sowie in der Dnipropetrowsk-Oblast zu gewährleisten, ersuchen wir dringend um Stromaggregate", ersuchte der Diplomat am Samstagabend auf Twitter.

Raketenwelle

Der Raketeneinschlag in Dnipro war der folgenreichste von mehreren Angriffen am Samstag. Im ganzen Land galt zeitweise Luftalarm. Es war der erste russische Großangriff dieser Art seit dem Jahreswechsel. Das ukrainische Militär teilte mit, dass von 38 russischen Raketen am Samstag 25 abgeschossen worden seien.

Bereits am Morgen gingen nach Angaben des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko Raketentrümmer in der Hauptstadt nieder. Ein Brand in einem unbewohnten Gebäude wurde gelöscht. Am Nachmittag berichteten Medien von einer Rauchwolke am Hauptbahnhof der Millionenmetropole.

Auch der Nordosten der Ukraine stand wieder unter Beschuss, wie in Kiew insbesondere die kritische Infrastruktur. Zwei Raketen seien in Charkiw eingeschlagen, berichtete der Gouverneur der Region, Oleg Synehubow. Nach Angaben der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform griffen russische Truppen Samstag früh auch Saporischschja an. Olexandr Staruch, Militärgouverneur von Saporischschja, berichtete auf Telegram von Zerstörung im Gebiet. Verletzte habe es keine gegeben.

Zuvor hatten die ukrainischen Luftstreitkräfte vor möglichen neuen Angriffen gewarnt. Demnach waren zahlreiche russische Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95 tagsüber in der Luft. Im Schwarzen Meer hatten zudem russische Kriegsschiffe Stellung bezogen, von denen ebenfalls immer wieder Raketen abgefeuert werden.

Trümmer in Moldau

Im Norden der Republik Moldau wurden nach Angaben des Innenministeriums Raketentrümmer entdeckt. Nach der heftigen Bombardierung der Ukraine durch Russland hätten Grenzpolizisten Trümmer einer Rakete gefunden, die von den russischen Luftangriffen auf die Ukraine stammten, teilte das Ministerium auf Facebook mit.

Die ukrainischen Behörden widersprachen unterdessen erneut der Darstellung Russlands, die ostukrainische Kleinstadt Soledar sei von russischen Truppen erobert worden. "Soledar wird von den ukrainischen Behörden kontrolliert, unser Militär kontrolliert es", sagte Regionalgouverneur Pawlo Kyrylenko am Samstag im Staatsfernsehen. Es gebe weiterhin Kämpfe "in und außerhalb der Stadt". Das russische Verteidigungsministerium hatte am Freitag erklärt, die "Befreiung" von Soledar durch russische Truppen sei "abgeschlossen".

Auch am Sonntag Attacken

Unterdessen haben russische Truppen auch am Sonntag erste Attacken auf die Ukraine gestartet. "Die russischen Besatzer haben soeben einen weiteren Angriff auf ein Wohngebiet in Cherson gestartet. Ersten Informationen zufolge wurden dabei zwei Menschen verletzt", sagte der Leiter der regionalen Militärverwaltung von Cherson mit. Die Rettungsdienste vor Ort sind im Einsatz.

In seiner Videoansprache hatte Selenskij Großbritannien gedankt, das als erstes Land westliche Kampfpanzer an die Ukraine liefern will. Das sei ein Signal für andere Partner der Ukraine, ebenso zu handeln. Großbritannien will der Ukraine in den kommenden Wochen 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zur Abwehr der russischen Angreifer zur Verfügung stellen.

Die Ukraine hat bisher keine Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert bekommen, sondern nur sowjetische Modelle aus dem Bestand osteuropäischer Nato-Länder. Kiew fordert seit langem die Lieferung des deutschen Panzers Leopard 2, der den russischen Panzern technisch überlegen ist. Polen und Finnland haben sich bereit erklärt, im europäischen Verbund Leopard-Panzer zu liefern. Die deutsche Bundesregierung hat sich noch nicht dazu positioniert.