Tiflis fordert Beitritts-Versprechen der NATO ein
Von Stefan Schocher
KURIER: Die Nato erscheint gerade derzeit so schwach wie selten zuvor. Was lässt Georgien da eigentlich in die NATO streben?
David Bakradze:Die Frage hat mehrere Dimensionen. In den vergangenen Jahren hat sich die NATO an sich als sehr resistent erwiesen, wenn es um neue Gefahren geht. Und Außerdem sind die NATO-Zugeständnisse nicht nur auf ihre Mitglieder limitiert. Sie hat auch gezeigt, dass Länder wie Georgien eingebunden werden. Also im Gegensatz zu dem, was sie sagen: Die Allianz hat gezeigt, dass sie neuen Gefahren gegenüber sehr flexibel ist. Wieso wir generell also eine europäische, westliche Wahl getroffen haben: Wir haben eine Geschichte, die Teil der europäischen Geschichte ist. Und wir bauen einen europäischen Staat auf dieser Geschichte.Was die EU angeht, so gibt es Fortschritte, mit der NATO aber wird seit Jahren über eine Aufnahme in den Membership Action Plan (MAP) gesprochen. Das ist bisher nicht passiert. Wo sehen sie da Fortschritt?
Ich denke das liegt auf der Hand. Was in Warschau sehr klar gesagt wurde ist, dass Georgien alle praktischen Werkzeuge in der Hand hat, um einen Beitritt vorzubereiten. MAP war das Mittel für alle anderen Mitglieder. In unserem Fall hat die NATO sehr klargemacht, dass wir alle praktischen Mittel haben, MAP ist der politische Teil der Entscheidung. Unser Ziel ist die NATO-Mitgliedschaft. Aber wir nutzen den Weg dorthin, um unsere Möglichkeiten auszubauen – was Demokratie angeht, was Bürokratie angeht, was Menschenrechte angeht, oder eben auch Verteidigung. Aber was – und das scheint im Lichte aktueller internationaler Turbulenzen nicht auszuschließen – wenn die NATO nein sagt?Die NATO hat bereits ja gesagt. 2008 hat die NATO uns zugesichert, dass Georgien Mitglied werden wird, und das wurde in der Folge auch bei jedem Gipfel bestätigt. Ich denke wir kommen jetzt an den Punkt, an dem die Mitgliedstaaten einen Konsens erzielen sollten, was Georgien angeht. Was wir tun können, ist das Interesse der Alliierten in Georgien zu erregen: Mit unserer Lage, mit unserer beispielhaften Transformation, durch den Umstand, dass wir alternative Energie-Lieferrouten bieten, als Handels-Hub. Derzeit haben wir als einziges Land in der Region ein Freihandelsabkommen mit der EU, mit EFTA (Europäische Freihandelsassoziation, Anm.), mit allen GUS-Staaten (Gemeinschaft unabhängiger Staaten, Anm.) mit der Türkei. Mit China verhandeln wir.Es sieht mitunter so aus, als habe Georgien bei seiner Annäherung gerade an die NATO ein ganz anderes Tempo als die NATO selbst, wenn es um Georgien geht. Sehen sie das so?
Ich sehe, dass jede politische Entscheidung in der NATO einen Konsens aller Mitgliedstaaten braucht. Und das ist ein wichtiger Teil der Struktur der NATO. Aber wir haben nicht den Luxus und auch nicht die Zeit, uns Enttäuschungen leisten zu können. Wir glauben fest, dass wir Mitglied der NATO und auch der EU werden können. Aber um nach Europa zu kommen, müssen wir zuerst Europa nach Georgien bringen.NATO und EU stehen einer ganzen Reihe an Krisen gegenüber. Ich gehe davon aus, dass es für Sie als Minister besonders wichtig ist, Ihr Land international zu einem prioritären Thema zu machen. Haben sie das Gefühl, dass sie in den Gesprächen mit EU und NATO derzeit Priorität haben?
Mitte Juni hat Außenkommissarin Mogherini eine globale Strategie für die EU veröffentlicht. Wenn da über 16 Nachbarstaaten der EU diskutiert wird, wird Georgien, als Mitglied der Östlichen Partnerschaft, als beispielhaft präsentiert. Ich bin sehr zuversichtlich, dass Georgien global gesehen, zunehmend positiv betrachtet wird. Die Region ist voller Turbulenzen und Herausforderungen. Wir haben bewiesen, dass wir diesen Tendenzen widerstehen können, dass wir fortschrittsorientiert sind. Seitens der EU, seitens der NATO, seitens der USA haben wir positives Feedback. Das ermutigt uns.