Politik/Ausland

Sind die Geheimdienste überfordert?

"Uff, heute ist es gerade noch einmal gut gegangen." Dieser Gedanke schleicht sich laut Liberation abends in den Kopf einer "hoch platzierten" aber anonymen Polizeiquelle. Denn es vergehe keine Woche, "ohne dass wir einen oder mehrere Hinweise erhalten, dass ein Attentat in Frankreich unmittelbar bevorsteht."

Einen ähnlichen Ton schlägt ein hoher Verantwortlicher des Antiterrorkampfs, der ebenfalls anonym bleiben will, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an. "2015 war schwierig. Ich fürchte, 2016 wird schrecklich werden", sagt er und ergänzt: "Je mehr der IS Boden in Syrien verliert, desto stärker wird er sich exportieren. Genau das geschah auch bei der El-Kaida."

Verwirrungstaktik oder echte Bedrohung?

Laut welt.de fürchtete die französische Koordinationsstelle des Antiterrorkampfes (Uclat) in den vergangenen Wochen ein Szenario: den Angriff auf einen Kindergarten oder eine Grundschule. Hinweise in diese Richtung hätten sich auf Twitter-Konten von Dschihadisten gehäuft. Aber man wisse nicht, ob es sich dabei tatsächlich um eine ernst zu nehmenden Warnung handle oder es ein Versuch sei, die Sicherheitskräfte zu verwirren.

"Totale Überforderung"

Die Liberation schrieb bereits vor einigen Wochen von der "totalen Überforderung" der französischen Antiterroreinheiten und zitierte einen hochrangigen Beamten: "Wir waren noch nie zuvor mit einem so vielfältigen Phänomen dieses Typus konfrontiert. Seit fünf Jahren ist die Palette potenzieller Täter um 150 Prozent gewachsen. Sie geht vom Islamistenveteran bis hin zum lebensmüden Studenten, der auf der Straße einen Juden mit einem Hackebeil anfällt. Wir schaffen es nicht mehr, die Masse der Informationen, die uns zugespielt wird, zu interpretieren. Und nicht nur uns geht es so. Einige von unseren Nachbarn, die Belgier beispielsweise, befinden sich in derselben Lage."

30 Sicherheitsleute pro beobachtete Person

Doch es ist nicht nur die Masse an Informationen, die es zu bewältigen gilt. Bereits im November rechnete der Grazer Geheimdienstexperte und Historiker Siegfried Beer im KURIER vor, wie viele Beamten es alleine für eine 24-Stunden Überwachen eines Gefährders braucht: „Für eine zu beobachtende Person wären 30 Sicherheitsleute notwendig." Bei 10.500 Personen, die in den französischen "fiches s" ("Akten s" – "s" steht in diesem Fall für surveillance, also Überwachung) zu finden sind, wären dies 315.000 Geheimdienst-Bedienstete.

Nicht ob, sondern wann

Auch nach den Anschlägen in Brüssel gilt, es ist keine Frage ob ein weiterer Anschlag, sondern wann. Das sagte der französische Premier Manuel Valls bereits letzten Sommer – die Aussage ist momentan aktueller denn je.