Taliban-interne Kämpfe eskalieren
Von Stefan Schocher
Die warmen Monate sind Kampfsaison in Afghanistan. Das ist auch dieses Jahr so. Nur ist dieses Jahr doch alles anders. Die NATO ist nur mehr sehr reduziert im Land, die Sicherheitsverantwortung tragen afghanische Kräfte. Und die tun sich sichtlich schwer mit militanten Gruppen. Aber auch in den Rängen der Militanten hat sich viel, vielleicht sogar alles geändert. Eines ist sicher: Die Taliban, bisher die Schirmherren des islamistischen Aufstandes gegen die Regierung in Kabul, haben harte Konkurrenz bekommen – auch, wenn sie, wie schon seit Jahren nicht mehr, ganze Landstriche dauerhaft übernehmen konnten. Im gesamten Land – vor allem aber im Süden. Etwa in der Provinz Helmand, wo auch eine wochenlange Offensive der Armee nur zur Folge hatte, dass die Taliban einen ganzen Bezirk binnen weniger Tage zurückeroberten. Auf den Süden Afghanistans hat Kabul indes wieder einmal nur beschränkt Zugriff.
Die schlecht ausgerüsteten Soldaten der afghanischen Armee, aber vor allem die Polizei, die dann dauerhaft die Präsenz der Regierung sichern müsste, sind den Taliban schwer unterlegen. Zuletzt hatte auch die US-Luftwaffe wieder verstärkt Angriffe geflogen – eine Aufgabe, die an sich laut Plan die afghanische Armee bereits übernehmen sollte.
Zugleich tun sich erhebliche Brüche im Lager der Dschihadisten auf. Einflussreiche Gruppen, wie die Islamische Bewegung Usbekistans (bestens vernetzt und international tätig) haben sich dem IS angeschlossen. Hinzu kommen Konflikte im Umfeld der Taliban selbst, die lange Zeit unter der Wahrnehmungsschwelle gebrodelt hatten – und jetzt Dimensionen annehmen. Mehrere Feldkommandanten hatten nach Bekanntwerden des Todes von Taliban-Gründer Mullah Omar dem neuen Anführer, Mullah Mansour, die Gefolgschaft verweigert. Zuletzt hatte sich vor allem der Konflikt mit dem früheren Feldkommandanten Mullah Dadullah zugespitzt. Dadullah war bereits von Mullah Omar 2007 aus den Rängen der Taliban verbannt worden.
In der Vertrauenskrise
Jetzt aber beschuldigte er die Taliban im allgemeinen und ihre neue Führung im speziellen in einer Videobotschaft, Handlanger des pakistanischen Geheimdienstes zu sein – in der Lesart von Dschihadisten also Handlanger eines gottlosen Regimes, das es zu stürzen gilt. Zudem spricht er den zwei Jahre von den Taliban geheim gehaltenen Tod Mullah Omars an – während die Taliban laufend Statements des vermeintlich noch Lebenden veröffentlicht hatten. So etwas ist peinlich für die Taliban. Und es hat Folgen: Dadullah hatte sich zuletzt mit 700 Kämpfern verbarrikadiert, die Taliban sollen selbst daraufhin bis zu 1500 Kämpfer entsandt haben. Schwere Kämpfe waren die Folge. Zuletzt hatte es dann auch Berichte gegeben, Dadullah habe sich dem IS angeschlossen.