Tag der offenen Tür im Taliban-Gefängnis
Von Stefan Schocher
Knapp ein Jahr ist es her, dass das Gefängnis auf der US-Luftwaffenbasis Bagram nördlich von Kabul an die afghanischen Behörden übergeben wurde – es war die Folge eines langen Konflikts. Verkauft worden war die Übergabe letztlich als Vertrauensbeweis der USA in die afghanischen Institutionen.
Bagram, das ist ein Hochsicherheitsgefängnis für Insassen mit El-Kaida- oder Taliban-Kontakten, die zumeist ohne Verurteilung einsitzen. Und der Streit um Bagram, das wechselweise auch als Vorhof Guantanamos oder Afghanistans Guantanamo bezeichnet wird, geht weiter – und bringt die US-afghanischen Beziehungen auf einen neuen Frostpegel.
Am Donnerstag ließen die afghanischen Behörden 65 Häftlinge aus Bagram frei. Laut US-Botschaft sind darunter solche, die in Angriffe auf ausländische und afghanische Truppen involviert waren. Laut USA seien den afghanischen Behörden Beweise dafür übergeben worden. In einem Statement, das zwischen Alliierten schärfer kaum formuliert sein könnte, heißt es, dass man die Freilassung "zutiefst bedauere" und Afghanistans Regierung die Folgen verantworten müsse.
Afghanistans Präsident Hamid Karzai verteidigte gegenüber der BBC den Schritt. Bagram nannte er eine "Taliban-Fabrik" in der viele Unschuldige erst zu Aufständischen gemacht würden. Der Chef der für die Bewertung der Einzelfälle verantwortlichen afghanischen Behörde sagte zudem: Man habe keinen Beweise, dass die 65 Freigelassenen nach afghanischem Recht Kriminelle seien.
Vor dem Ruhestand
Hinter dem Streit stehen grundlegende Differenzen über den Umgang mit den Taliban – und vor allem der Umstand, dass die USA in Initiativen, mit ihnen zu reden, Karzai immer außen vor ließen.
Karzai steht vor seinem politischen Ruhestand. Bei der Präsidentenwahl im April darf er nicht mehr antreten. Derzeit versucht er hastig, eine Art Frieden mit den Taliban zu basteln – unlängst verabschiedete erzkonservative Gesetze sowie die Freilassung Gefangener könnten als Zugeständnisse gewertet werden.
Ende 2014 endet auch das Mandat für den internationalen Militäreinsatz. Was danach geschehen wird, ist unklar. Ein Sicherheitsabkommen, das die Basis für eine über 2014 hinaus gehende US-Militärpräsenz bildet, hat Karzai zum Ärger der USA noch nicht unterzeichnet.