Lokale Waffenruhe als Modellfall für Syrien?
Von Stefan Schocher
Schon dass eine vereinbarte Waffenruhe in Syrien mehr wert ist als das Papier, auf dem sie festgehalten wurde, ist eine gute Nachricht. Noch ungewöhnlicher ist, dass sie dann auch einige Wochen hält – zumindest weitgehend, und so weit, dass Hilfslieferungen möglich werden. Jetzt gaben Rotes Kreuz und Roter Halbmond bekannt, man habe Lebensmittel und Medikamente in die Dörfer Foua und Kefraya in der Region Idlib sowie die Region um Zabadani nordwestlich von Damaskus an der Grenze zum Libanon bringen können. Seit 24. September hält um diese Schlachtfelder weitgehend eine Waffenruhe. Ein Erfolg – wenn auch ein kleiner. Oder sogar ein Modellfall?
Die beiden betroffenen Dörfer in der Region Idlib sind mehrheitlich schiitisch und in der Umgebung die letzten unter Regierungskontrolle – werden aber seit Monaten vom syrischen El-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front belagert. Die Region um Zabadani wiederum ist eine sunnitische Hochburg mit starker Al-Nusra-Präsenz nahe einer von der Armee gehaltenen wichtigen Fernstraße – und wird seit Sommer von der Armee belagert.
Ein syrischer Beobachter in Damaskus nennt den Deal ein "türkisch-iranisches Hinterzimmerabkommen" – versehen mit Attributen wie "vermutlich", "wohl", "vielleicht". Denn die Lage in dem Bürgerkriegsland mit seinen inneren Allianzen und externen Einflüssen ist undurchschaubar. Der Iran habe Interesse, die Schiiten zu schützen, die Türkei wiederum die Sunniten, so der Beobachter. Und er sagt: So gut es auch sei, Kämpfe zu beenden – eine Lösung sei das nicht. Auch, wenn die Waffenruhe die vereinbarten sechs Monate halten sollte. Es ändere nichts am Umstand, dass Syrer selbst nicht mehr Herr über die Lage in dem Bürgerkrieg seien. Und vor allem nicht über eine Lösung.
Ministertreffen
Und so gehen andernorts die Kämpfe auch mit unverminderter Härte weiter – auch in nächster Nähe jener Orte, an denen die Waffen jetzt einmal schweigen. Russische Medien meldeten am Montag Luftschläge in der Region Idlib. Getroffen worden seien Einrichtungen der Al-Nusra-Front. In Idlib und um Aleppo läuft derzeit eine Offensive der syrischen Armee, an der sich die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah sowie iranische Truppen beteiligen. All das mit russischer Luftunterstützung.
Rebellen in der Region Aleppo wiederum gaben am Montag bekannt, neue Panzerabwehrraketen amerikanischer Bauart erhalten zu haben – von Staaten, die gegen Präsident Assad seien.
Noch diese Woche will US-Außenminister Kerry laut eigenen Angaben seine Amtskollegen aus Russland, der Türkei, Saudi-Arabien und Jordanien treffen, um eine politische Lösung zu beraten. Aus Moskau hieß es: Kerrys Vorschlag werde geprüft.