Syrien: Über 100 Tote bei Zusammenstößen
Ramadan-Massaker", so nennen syrische Oppositinelle im Internet den 31. Juli. Einen Tag vor Beginn des islamischen Fastenmonats greift das Regime von Präsident Bashar al-Assad hart durch und schickt seine Panzer in die Widerstandshochburg
Hama. Mindestens 95 Menschen wurden bei der am Sonntagmorgen begonnenen Militäroffensive gegen die viertgrößte Stadt des Landes getötet. 100 weitere erlitten Verletzungen. Das berichteten syrische Aktivisten in Beirut. Auch in der Stadt Dayr az-Zawr im Nordosten des Landes kamen mindestens ein dutzend Menschen ums Leben. Insgesamt dürfte die Anzahl der Todesopfer bei rund 121 Menschen liegen.
Die Truppen rückten im Morgengrauen in Hama ein. Zuvor hatten Spezialisten die Strom- und Wasserversorgung gekappt. Panzer sollen in Wohngebiete gefeuert, Scharfschützen auf Hausdächern Stellung bezogen haben. Soldaten und weitere Sicherheitskräfte hätten bei ihrem Einmarsch am Morgen das Feuer auf Zivilisten eröffnet und dabei auch viele weitere Menschen verletzt, sagte der Chef der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Rahman.
Ein Mann, der sich gegenüber der Agentur AFP am Samstag telefonisch als Armeeoberst
Riad al-Asaad ausgab, sagte, er sei wegen der Ereignisse um Deyr az-Zawr zusammen mit "Hunderten" Soldaten desertiert. Sollte das syrische Militär seinen Einsatz in der Ölstadt fortsetzen, werde er mit seiner "freien Armee" zurückschlagen, drohte er.
"Euer Schweigen tötet uns!"
"Es regnete Granaten über die Stadt, die Soldaten schossen auf alles, was sich bewegte", schilderte einer der Aktivisten die dramatische Lage in
Hama. "Die Opferzahl steigt von Minute zu Minute." Die Truppen würden inzwischen das Krankenhaus umstellen und die Menschen daran hindern, ihre Verwundeten dorthin zu bringen.
Aus Hama hatten sich Assads Sicherheitskräfte vor mehreren Wochen völlig zurückgezogen. Seitdem fanden dort regelmäßig besonders stark besuchte Demonstrationen gegen das Assad-Regime statt. Im Jahre 1982 war die Stadt Schauplatz der grausamen Unterdrückung einer Islamistenrevolte durch Assads Vater Hafis gewesen. Dabei waren je nach Schätzung 10.000 bis 30.000 Bewohner getötet worden.
Laut Aktivisten waren erst am Freitag beim Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Proteste Hunderttausender Syrer landesweit mindestens 20 Menschen getötet und 35 weitere verletzt worden.
Am Freitag hatten im ganzen Land Zehntausende unter dem Motto "Euer Schweigen tötet uns!" demonstriert. Die Demokratiebewegung hatte damit erstmals eine Losung gewählt, die die internationale Gemeinschaft und die anderen arabischen Staaten kritisiert.
Ein abgeschwächter westlicher Resolutionsentwurf, der die Gewalt in
Syrien lediglich verbal verurteilt und dem Assad-Regime keinerlei Sanktionen androht, scheiterte im UNO-Sicherheitsrat am Widerstand der Vetomächte Russland und China. "Das Schweigen des Sicherheitsrates ist unerträglich", erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).
Gedenkveranstaltung in Wien
Syrische Oppositionelle in Algerien sprachen sich indes gegen ein Eingreifen des Auslands in den Konflikt aus. "Dies ist eine friedliche Revolution, unsere Waffen sind Kameras und Mobiltelefone", sagte der in Algerien lebende Jurist Adnane al-Bush anlässlich eines Treffens von etwa 50 Aktivisten am Samstag in der Hauptstadt Algier. Bei der Konferenz, die sich dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in
Syrien widmete, hieß es, in den Auseinandersetzungen seien bisher mehr als hundert Minderjährige getötet worden.
In Syrien finden seit Mitte März Massenproteste gegen die Staatsführung von Präsident Assad statt. Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden seither mehr als 1.500 Zivilisten getötet und etwa 12.000 weitere festgenommen. Zudem seien rund 370 Soldaten ums Leben gekommen.
An diesem Montag beginnt in den meisten arabischen Ländern, so auch in Syrien, der Fastenmonat Ramadan. Syrische Aktivisten hatten für den heiligen Monat tägliche Proteste gegen das
Assad-Regime angekündigt. Bisher fanden diese vor allem freitags statt. Im Ramadan besuchen die Gläubigen oft jeden Abend ihre Moscheen. In Syrien sind diese häufig Ausgangspunkte der Proteste.
In Wien haben unterdessen bei einer Gedenkveranstaltung der Syrischen Gemeinde Wien am Samstagabend in der Akademie der bildenden Künste etwa 400 Aktivisten gegen das Regime von Präsident Assad der bei den Unruhen getöteten Zivilisten gedacht, wie der in Wien lebende syrische Aktivist und Künstler Sami Alajouri am Sonntag mitteilte. Der "Global Syria Day" unter dem Motto "Save our Children: Zündet eine Kerze für die Seelen der Kinder an" sei in 29 Städten weltweit durchgeführt worden.
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