Politik/Ausland

Shingal – eine verminte Stadt

Es ist immer das selbe Bild – in Syrien wie im Irak. Räumt der IS eine Stadt, so vermint er sie zuvor mit allem nur Erdenklichen. In der Stadt Shingal ist es ein unscheinbares dunkelgrünes Haus mit einer hohen Mauer rundum, das als Bombenbauwerkstatt des IS ausgemacht wurde. Tonnenweise wurde hier chemischer Dünger zu Sprengstoff verarbeitet. Und der wurde dann in Häusern, unter Straßen und auch in Spielsachen versteckt – versehen mit ebenso einfachen wie tödlichen Zündvorrichtungen, die auf Druck oder Bewegung reagieren.

Alleine in einem Viertel im Norden der Stadt, das der IS besonders stark vermint hatte, weil dort die Straße aus den Bergen in die Stadt kommt, wurden bisher zehn Tonnen Sprengstoff gefunden, führt der Kommandant einer Minenräumeinheit in Shingal aus. Wie viele Sprengfallen insgesamt in der Stadt versteckt wurden, kann nicht einmal der Kommandant sagen. In den ersten Wochen nach der Einnahme seien es täglich um die 50 Sprengfallen gewesen, heute nur mehr etwa 15 pro Tag.

Sprengungen

Systematisch von Haus zu Haus und auf Zehenspitzen gehend suchen die Soldaten der Einheit nach den Fallen, die unter Türrahmen, unter Matratzen oder unter Teppichen versteckt sind. Entsorgt wird der Sprengstoff in Sprengungen auf freiem Feld. Dabei sind die Sprengfallen nicht das einzige Problem: Auch unexplodierte Munition liegt massenhaft in den Straßen – von Mörsergranaten kleinen Kalibers bis zu schweren Fliegerbomben.

Das bringt das zivile Leben zum Erliegen. Vor allem aber auch ist kaum an einen Wiederaufbau zu denken, ja nicht einmal an eine Entfernung des Schutts mit schwerem Gerät. Und damit schon gar nicht an eine Rückwanderungswelle von Flüchtlingen aus den Bergen oder den Lagern im Norden. Und all das gilt nicht nur für die Stadt Shingal. Nördlich des Shingal-Gebirges liegen über einen Landstrich von rund 50 Kilometer Dutzende Dörfer in Schutt und Asche. Viele davon wurden abgeriegelt, weil sie vermint sind.

Die massenhafte Verminung von Städten und Dörfern ist eine Taktik, die das Leben in den Regionen, die einst unter IS-Kontrolle waren, noch auf Jahrzehnte prägen wird. Ein Soldat sagt, die vom IS in den Zündern verwendeten Batterien könnten bis zu 15 Jahre halten. Der in Plastikkanistern verpackte Sprengstoff hält weit länger. Die Bomben stellen damit eine Gefahr dar, die über Jahrzehnte bestehen wird. Und alle zu finden, ist angesichts der Zerstörungen illusorisch.