Politik/Ausland

Russisch-amerikanische Muskelspiele

Ukraine, Syrien – und jetzt Afghanistan. In vielen aktuellen Konflikten sind die Interessen der USA und Russlands derzeit auf keinen gemeinsamen Nenner zu bringen. Viel eher drohen sie mehr und mehr gegeneinander zu laufen. Just am Vorabend einer durchaus an Symbolkraft schweren Konferenz zum Thema Afghanistan in Moskau übten sich die USA in einer Machtdemonstration – und warfen ihre schwerste nicht-nukleare Bombe über einer Stellung der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Ost-Afghanistan ab. Der Abwurf kam so quasi als militärisches Post Scriptum auf die von Washington abgelehnte Einladung zu dem Expertentreffen in Moskau am Freitag.

Dass Moskau in internationalen Konflikten zunehmend in eigener Sache internationale Vernetzungsarbeit betreibt, haben bereits Syrien-Gespräche in Astana gezeigt. Jetzt tut man das beim Thema Afghanistan.

Es gehe darum, Wege zu einer friedlichen Lösung des Krieges in Afghanistan zu finden, heißt es in Moskau. Anwesend bei dem Treffen sind Afghanistan, Pakistan, Indien, China, Tadschikistan, Usbekistan, Kirgistan, Turkmenistan und Kasachstan – und eben die USA.

Gerade in den vergangenen Monaten aber flogen zwischen Washington und Moskau auch im Zusammenhang mit Afghanistan die Fetzen. Unverblümt beschuldigten US-Top-Militärs zuletzt die russische Führung, gemeinsam mit dem Iran die Taliban zu unterstützen.

Sicherheitsinteressen

Russland hat massive Sicherheitsinteressen in der Region: Vor allem jenes, zu verhindern, dass sich aus Nahost fliehende IS-Kämpfer (Tausende kommen aus Russland oder Zentralasien) eine neue Basis in der Region schaffen. Auch mit wachsendem chinesischen Einfluss kämpft Moskau. Viele der internationalen wie regionalen Rivalitäten laufen in Afghanistan zusammen.

Von einer Überschneidung an Interessen Russlands und der Taliban hatte sogar der Afghanistan-Beauftragte der russischen Regierung, Samir Kabulow, bereits Ende 2015 gesprochen. Konkret: Russland wie auch die Taliban hätten ein Interesse an der Vernichtung des IS in Afghanistan. Die Miliz breitet sich dort trotz militärischem Druck aus. Russland bestätigt Kontakt zu den Taliban. Freilich nur mit der Absicht, die Islamisten zu Gesprächen mit der Regierung in Kabul zu drängen. Alle weiteren Anschuldigungen weist Russland zurück.

Regierungsvertreter in Kabul und US-Militärs werfen Moskau vor, die Taliban mit Waffen zu versorgen. Von einem Waffenfund im Grenzgebiet zu Tadschikistan war zuletzt die Rede – dabei sei neuwertiges Material russischer Bauart ausgehoben worden. Seitens der afghanischen Regierung gibt es auch die Ansicht, dass die zweite Offensive der Taliban auf das nordafghanische Kunduz im Oktober 2016 nur mit russischen Waffen möglich war.

Die russische Achse jedoch bietet viel politische Sprengkraft. Alleine 2016 töteten die Taliban 6000 afghanische Sicherheitskräfte. Zugleich verweigern die Taliban der Regierung in Kabul konsequent ernsthafte Friedensgespräche und eroberten im vergangenen Jahr große Gebiete vor allem im Süden Afghanistans. Was allerdings stimmt: Sie liefern sich auch einen zunehmend blutigen Kampf mit dem IS um die Oberhoheit im radikalen Lager. Und was aus russischer Sicht durchaus Relevanz hat: Die Ambitionen der Taliban beschränken sich überwiegend auf Afghanistan.

Worum es Russland geht in Afghanistan, ist klar: Stabilität, Einfluss und vor allem Kontakte zu allen Fraktionen als Zukunftsvorsorge – wer auch immer sich letztlich durchsetzen wird. Und so liefert Russland Waffen an die afghanische Armee. Eine gewisse Häme, dem NATO-Projekt in Afghanistan derzeit gerade beim Scheitern zusehen zu können, dürfte wohl auch eine Rolle spielen.

Das große Fragezeichen steht auf der anderen Seite: Welchen Plan US-Präsident Trump für Afghanistan hat, ist nach wie vor ein Mysterium, das der Bombenabwurf vom Donnerstag in keiner Weise aufgelöst hat.